Ein eigenes Auto kaufen oder Mitglied beim Carsharing-Anbieter werden? Herkömmlichen Strom beziehen oder ein bisschen mehr für Solarstrom ausgeben? Alles in den Abfallsack stopfen oder zur Recyclingstelle fahren und die Ware getrennt entsorgen? Wer eine nachhaltige Dienstleistung in Anspruch nehmen will, muss sein Verhalten ändern – und in den meisten Fällen einen zusätzlichen Aufwand auf sich nehmen. «Deshalb ist die Ausgestaltung und die Vermarktung von nachhaltigen Dienstleistungen für die Unternehmen besonders herausfordernd», sagt Betriebsökonomin Uta Jüttner von der Hochschule Luzern.
Worauf müssen die Betriebe dabei achten? Welche Erwartungen haben die Kundinnen und Kunden? Mit diesen Fragen haben sich die Hochschule Luzern und die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur in einem Forschungsprojekt beschäftigt, gefördert von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes. Als Partnerunternehmen beteiligten sich HitchHike, Mobility, Schwendimann und Rhiienergie.
Nutzen, Emotionen und Werte – alle drei Ebenen müssen stimmen
Das Forschungsteam führte 52 Interviews mit Kunden, Mitgliedern der Geschäftsleitungen und Mitarbeitenden im Kundenkontakt in allen vier Partnerfirmen. Dann wurden die Aussagen schriftlich in einer Umfrage mit über 620 Kundinnen und Kunden der Projektpartner überprüft. Schliesslich haben sich drei Punkte herauskristallisiert, wie die Motivation der Kundschaft auf den Ebenen «Nutzen», «Emotionen» und «Werte» gelingt – alle sind gleichermassen relevant:
Erstens muss der Nutzen, also die sogenannte Kerndienstleistung stimmen. «Konsumenten machen hier keine Kompromisse», sagt Projektleiterin Uta Jüttner. Für das Carsharing bedeutet das: Die Kunden wollen schnell und bequem von A nach B kommen. Und auch mit Solarstrom fordern sie eine lückenlose Versorgung. Zum Nutzen gehört ausserdem ein guter Kundendienst mit persönlicher Beratung. Kompromissbereiter zeigen sie sich hingegen beim Preis. Wobei die Studie nicht erhoben hat, welche Differenzen die Kunden bereit sind zu tragen.
Wichtig ist zweitens, dass die Kunden positive Emotionen mit dem Angebot verbinden: Sie müssen dem Unternehmen vertrauen – das kann mit Probeabonnementen, Testmöglichkeiten oder der Zusammenarbeit mit einem bekannten Partner erreicht werden. Es geht aber auch um die Emotionen der Kunden, wenn sie die Dienstleistung in Anspruch nehmen: So kann beispielsweise das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit gestärkt werden, wenn andere Kundinnen und Kunden auf Sozialen Medien über ihre positiven Erlebnisse berichten. Gleichzeitig hilft dieser Austausch, die Begeisterung zu wecken und allfällige Zweifel zu beseitigen. Schliesslich gilt auch bei nachhaltigen Dienstleistungen das Prinzip, dass mit überraschenden Marketingmassnahmen begeistert werden kann: So wird zum Beispiel die Partnerfirma Schwendimann ab Sommer besonders engagiertes «Recyclingverhalten» ihrer Werkhofbesucher honorieren: So soll ein Entsorgungspunktesystem mit Vorteilen für die Kundinnen und Kunden eingeführt werden.
Drittens – und als naheliegende Besonderheit von nachhaltigen Dienstleistungen – ist es zentral, dass die Unternehmen das Werteverständnis der Kunden ansprechen. «Die Kunden möchten sich in ihren persönlichen Werthaltungen bestätigt sehen: Durch die Nutzung nachhaltiger Services wollen sie aktiv einen Beitrag zur Gesellschaft und für den Umweltschutz leisten», sagt Uta Jüttner. Nicht nur altruistische Werte gilt es zu berücksichtigen. Die Studie zeigt, dass die Kunden mit der Nutzung von nachhaltigen Dienstleistungen ihre Offenheit gegenüber Innovationen ausdrücken möchten. «Den Angeboten sollte also auf keinen Fall das Image der ‹Spiel- und Spassverderber› anlasten, vielmehr müssen sie das Selbstbild der Kunden als innovationsfördernde Konsumenten bestätigen», so die Projektleiterin.
Dienstleistung gemäss den Bedürfnissen der Kunden gestalten
Aufgrund dieser Erkenntnisse haben die Hochschule Luzern und die HTW Chur eine Toolbox entwickelt, die Unternehmen dabei unterstützen, ihre nachhaltigen Dienstleistungen gemäss den Bedürfnissen der Kunden zu gestalten. Im Zentrum steht ein webbasierter Selbsttest für Firmen. Dieser zeigt ihnen auf, ob und auf welchen der drei Ebenen «Nutzen», «Emotionen» und «Werte» Handlungsbedarf besteht. Damit die Unternehmen ihr Angebot verbessern können, stehen ihnen anschliessend Werkzeuge zur Begleitung der Servicedesignprozesse zur Verfügung.
Das «Servicerad» dient Unternehmen, Ideen zu generieren, wie der funktionale Nutzen der nachhaltigen Dienstleistung und der Kundenservice verbessert werden können. Mit der «Emotionenlandkarte» wird eruiert, inwieweit die Kunden dem Unternehmen und der Dienstleistung vertrauen und ob es gelingt, deren Begeisterung für das Angebot zu wecken. Das Managementinstrument «Wertehaus» wiederum zielt darauf ab, die Beziehung zwischen der Dienstleistung und den Werten der Zielgruppe herzustellen.
Der webbasierte Test für Firmen zur Selbsteinschätzung der Qualität von nachhaltigen Dienstleistungen ist auf www.sustainable-services.ch frei zugänglich.