Die Geologie der Tektonikarena Sardona ist eine komplizierte Sache. Aber Tumasch, der Alpensalamander, kann das blitzschnell erklären: Er braucht nur ein Wassereis, seine lange, rote Zunge – und schon wird klar, dass die Tschingelhörner aus drei Gesteinsschichten bestehen. Durch alle drei Schichten geht diagonal eine Bruchkante. «Dort ist das Gestein geschwächt», erklärt der quirlige Salamander. «Darum ist mit der Zeit das Loch entstanden, das Martinsloch!» Und schon hat die Zunge das Loch ins Eis geschleckt.
Mit Tektoni durchs Martinsloch fliegen
«Tektoni – und der Flug durch das Martinsloch » heisst das Abenteuer für Kinder, das jetzt in der App «Sardona» fürs Smartphone erhältlich ist. Diese entstand in enger Zusammenarbeit der Netcetera AG, der Quant AG und des Kompetenzzentrums Visual Narrative der Hochschule Luzern. Sie begleitet Erwachsene und Kinder auf mehreren Wanderwegen durch die Schönheiten und das Besondere der Gegend, die die UNESCO zum Welt-Naturerbe erklärt hat. Die Animatorin Katrin Jucker hat Murmeltier Tektoni, Salamander Tumasch, Bartgeier Sardona und Steinbock Viturin zum Leben erweckt, um Kindern die Natur zu erklären.
Sechs Themenwege für Erwachsene, einer für Kinder
Für Erwachsene sind die anderen derzeit sechs Themenwege: So zeigt «Alpenbildung einfach erklärt» die Entstehung der Tektonikarena auf einer 12,5 Kilometer langen Wanderung rund um Flims. «Trutg dil Flem» folgt zehn Kilometer dem wilden, ungebändigten Fluss Flem und zeigt dabei, wie Flüsse Schluchten graben, in Strudeltöpfen tosen oder in Ebenen Zöpfe flechten. «Uns war wichtig, das Naturerlebnis mit der App nicht zu stören, sondern zu ergänzen», erklärt Projektleiter Samuel Frei. Die Besucher sollen die Naturschönheiten erwandern, und die App will ihnen helfen, die Landschaft und ihre Besonderheiten überhaupt erst einmal zu sehen, wahrzunehmen und zu verstehen.
Dafür haben die Forscher auch mal eine Drohne mit einer Kamera daran den Wasserfall hinaufgeschickt, weil nur so die scharfe Kerbe zu sehen ist, die das Wasser in den Stein gebissen hat. Das Team um Samuel Frei kombiniert mehrere Medien: Mal läuft ein kurzer Film, mal lässt sich ein Panoramabild anschauen, mal werden zeitliche Abläufe im Zeitraffer illustriert, mal geologische Prozesse mit Infografiken erläutert.
Eigentliche Forschung beginnt erst
Doch beginnt für das Team der Hochschule Luzern die eigentliche Forschung jetzt erst, wo die App im Store erhältlich ist und genutzt wird. Denn im von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) geförderten Projekt «ALE – Augmented Learning Experience» wird erforscht, ob sich Wissen leichter einprägt und später wieder abrufen lässt, wenn der Lernprozess vor Ort stattfindet: Lernt jemand besser, wenn er gleichzeitig etwas erlebt, sich den Wind um die Nase wehen lässt oder beim Wandern schwitzt? Dazu werden Probanden bei der Nutzung der App beobachtet, über ihre Assoziationen zur Tektonikarena Sardona befragt, einmal vor dem Erwandern, einmal danach und einmal drei Monate später. Eines ist jedenfalls klar: Wer einmal die Salamanderzunge von Tumasch das Martinsloch hat ins Wassereis schlecken sehen, der kann sich viel besser vorstellen, wie der Zahn der Zeit die Alpen geformt hat.
Autorin: Valeria Heintges
Bild: zVg/Screenshot