Die Stärkung der Gastfreundschaft soll der Tourismusbranche zu mehr Umsatz verhelfen. Ist ein Lächeln so viel wert?
Ein Lächeln alleine reicht nicht. Eine Seilbahn macht auch noch keine flächendeckend gute Infrastruktur. Es ist die Summe der positiven Eindrücke, die zählt. Wenn wir also nicht nur mehr Freundlichkeit an den Tag legen, sondern generell unsere Gastgeberqualitäten stärken, dann funktioniert es. Das ist aber einfacher gesagt als getan.
Wo liegen die Schwierigkeiten?
Die Grundhaltung eines Menschen hat massgeblich Einfluss darauf, wie er auf Fremde wirkt. In der Schweiz wirken wir eher verschlossen und gehen weniger direkt auf den Gast zu. Griechinnen und Österreichern gelingt es besser, dem Gast das Gefühl zu vermitteln, willkommen zu sein. Kommt hinzu, dass Herzlichkeit oder die Fähigkeit, ein Lächeln zu schenken, sehr individuelle Eigenschaften sind, die nicht wie eine Fachkompetenz geschult werden können.
Müssen wir zu Österreicherinnen und Griechen werden?
Es macht keinen Sinn, andere Länder zu kopieren. Touristen wünschen sich Echtheit. Trotzdem ist der Blick über die Grenze erwünscht, um zu sehen, was die Konkurrenz besser macht, und daraus zu lernen.
Nervt Sie der ständige Vergleich mit Österreich?
Mich persönlich nicht. Zumal wir nicht so schlecht sind, wie es oft dargestellt wird. Das zeigt unsere Umfrage: Die Gäste sind zufrieden mit unserer Gastfreundschaft, im Durchschnitt beurteilen sie ihre diesbezügliche Zufriedenheit mit 6 Punkten – bei einem Maximum von 7 Punkten. Besonders kritisch hingegen fällt die Bewertung der Touristiker aus, die wir auch befragt haben. Sie vergeben nur 4.6 Punkte. Zudem gibt es bislang keine seriöse Studie, die die Gastgeberqualitäten verschiedener Länder vergleicht. Deshalb haben wir geplant, auch Touristen im Ausland, z.B. in Österreich zur dortigen Gastfreundschaft zu befragen, damit die Gastgeber-Kompetenzen einzelner Länder miteinander verglichen werden können.
Wie erklären Sie die grosse Diskrepanz zwischen Aussen- und Innensicht?
Mögliche Gründe für die unterschiedliche Beurteilung der Zufriedenheit sind, dass wir Schweizer generell und insbesondere die Touristiker sehr selbstkritisch sind. Zudem schneiden wir im Vergleich zu Österreich immer schlechter ab – das beeinflusst die eigene Einschätzung.
In der Tourismusbranche sind die Löhne tief. Wie kann man da noch mehr Freundlichkeit verlangen?
Der Lohn ist wichtig, aber nicht der allein entscheidende Faktor. Vielmehr sind allgemein gute Arbeitsbedingungen, Schulungen und vor allem Wertschätzung wichtig, damit Mitarbeitende gerne zur Arbeit kommen und dies die Gäste spüren lassen. Zudem gilt zu beachten: Ist ein Betrieb dank einer besseren Gastfreundschaft wirtschaftlich erfolgreich, kann er auch höhere Löhne zahlen.
Kann Gastfreundschaft auch Nachteile in anderen Bereichen wettmachen?
Vielfach fehlt es gerade kleineren Unternehmen an finanziellen Mitteln für umfassende Sanierungen, die Infrastruktur weist somit Mängel auf. Darüber sehen Gäste eher hinweg, wenn sie auf der persönlichen Ebene angesprochen werden und eine zuvorkommende Gastfreundlichkeit erfahren. Dafür braucht es zufriedene, gute und gut geschulte Mitarbeitende.
Was dürfen wir von unseren Gästen erwarten?
Es wäre wünschenswert, sie würden ebenfalls respektvoll und höflich auftreten. Damit eine Begegnung möglichst positiv verläuft, sind aber speziell die Gastgeber gefordert – sie verlangen Geld für ihre Dienste und sind dadurch verpflichtet sich auf herausfordernde Situationen vorzubereiten. Sie sollten neben Fremdsprachenkenntnissen auch über interkulturelle Kompetenzen verfügen und die Wirkung von Gestik und Mimik auf Personen verschiedener Länder kennen. Das ermöglicht ihnen ein sicheres Auftreten, was wiederum der erste Schritt ist für eine positive Begegnung.
Interview: Yvonne Anliker
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