Die Mehrheit der Schweizer KMU nutzt Social-Media-Kanäle, um damit Reichweite zu erzielen und das Image im Kontext Business-to-Business (B2B) zu stärken – aber ihre Geschäftsprozesse können sie noch nicht effizient gestalten. Die Unternehmen kennen das Potenzial der Sozialen Medien und sind offener sowie mutiger geworden. Nichtsdestotrotz ist deren Umsetzung optimierungsbedürftig, insbesondere im Bereich Controlling. Deshalb gelingt es vielen KMU vielleicht nicht, mit Social Media Leads zu generieren und die Conversion zu steigern.
Dies zeigt die zweite Welle der am Institut für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern – Wirtschaft durchgeführten Online-Befragung «Social Media & B2B» im Februar 2016. Das Sample umfasst 99 Personen aus dem oberen und mittleren Management. Alle teilnehmenden Unternehmen nutzen Social-Media-Kanäle in ihrer Kommunikation. Diese sind zu einem grossen Anteil als KMU und Grossbetriebe in der Maschinen- und Metallindustrie, im Dienstleistungs- und Finanzsektor sowie in der Computertechnologie, im Baugewerbe, im Detailhandel oder im Pharmabereich tätig. In Zusammenarbeit mit Switzerland Global Enterprise (S-GE) wurden deren exportorientierte Mitglieder (rund zwei Drittel) und Kommunikationsverantwortliche der MAS-Alumni aus der Weiterbildung am IKM (rund ein Drittel) befragt.
Erst Facebook und YouTube entdeckt
Wie schon bei der ersten Welle (siehe Artikel in der «Handelszeitung» vom 26. November 2015) aus B2B-Kundenperspektive werden auch von Unternehmensseite Website und Newsletter als die am häufigsten genutzten Online-Kanäle angegeben. In Bezug auf Social Media haben die Befragten allerdings eine grössere Erfahrung, wenn es um die Verwendung von Facebook, YouTube und Linkedln geht. Mehr als 50 Prozent der befragten KMU nutzen Twitter und Xing beziehungsweise haben eine Nutzung vorgesehen. Bei etwa einem Fünftel steht die Entscheidung für oder gegen einen zukünftigen Einsatz von Social-Media-Tools noch aus.
Präziser formuliert heisst das, dass, auch wenn Wilds, Communities, Instagram und Blogs aktuell eher wenig bis moderat eingesetzt werden, ist doch hier ein erheblicher Anteil von jeweils rund 20 Prozent in der Entscheidungsphase, dies zu ändern. Das Ergebnis ist zwar offen, einen Stimmungswandel kann dies aber aufzeigen.
In diesem Zusammenhang wurde auch nach der Relevanz der eingesetzten Instrumente im Hinblick auf die Zielerreichung in Marketing und Vertrieb gefragt. Setzen Unternehmen Facebook, YouTube und Linkedln ein, dann sind sie vom Erfolg überzeugt. Diese Erfolgsindikatoren kann man auch bei Wikis und Communities erkennen. Selbst wenn deren Einsatz noch verhältnismässig gering ist, so schätzen die Befragten deren Bedeutsamkeit bezüglich der Erreichung der Marketing- und Vertriebsziele trotzdem als sehr hoch ein.
Durchgeführt und ausgewertet wurden beide Teilerhebungen zum Projekt «Social Media & B2B» vom Institut für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Das Forschungsteam besteht aus Anja Janoschka (Projektleiterin), Matthes Fleck (stellvertretende Projektleitung), Brigitte Gasser und Samuel Kirchhof. Unterstützt wird das Projekt von Agence Trio AG, Bernexpo Group, Hinte Messe, SBB Cargo, Schärer & Schläpfer AG, SWA - Schweizer Werbeauftraggeber Verband, Swisscom und 4B Fenster. Hauptsponsor der Studie ist die Kommission für Technologie und Innovation (KTI), die Förderagentur für Innovation des Bundes. Die Exportförderin Switzerland Global Enterprise (S-GE) begleitet die Studie seit der zweiten Umfrage. Weitere Informationen sind auf dem B2B-Social-Media-Blog zu finden.
Verschenktes Potenzial, wenig Budget
Unternehmen setzen nämlich Social- Media-Instrumente immer vernetzter mit anderen Kommunikationsträgern ein. Geht man von der starken, vielfach favorisierten und gelernten Nutzung von Newsletter und Website aus, dann ist deren hoher Vernetzungsgrad von annähernd 70 Prozent plausibel. Auch gedruckte Werbemittel sind mittlerweile mit Social-Media-Kanälen in der Kommunikation gut kombiniert. Lediglich Radio und TV mangelt es an mediumübergreifenden Verknüpfungen – vielleicht spielt die Parallelnutzung von TV und Mobile in Form von Second-Screen-Botschaften eine untergeordnete Rolle im B2B, da auch reine TV-Werbung im B2B eher sekundär ist. Dennoch könnte sich dies in Zukunft ändern, wenn die Grenze zwischen privater und beruflicher Nutzung der Sozialen Medien immer mehr verschwindet.
72,2 Prozent der Befragten überprüfen Interaktionskennzahlen, allerdings bezieht sich dieses Controlling lediglich auf Likes, Shares oder Retweets – also auf Kennzahlen, die ohne grossen (finanziellen) Aufwand über die Tools direkt gemessen werden können. Ebenso relativ einfach zu erhebende Kennzahlen wie Cost per Click, beispielsweise für bezahlten Content oder für Werbung bei Facebook, werden lediglich von der Hälfte der Befragten erhoben.
Erstaunlich scheint es, dass von denjenigen, die Leads und Conversion anstreben, lediglich 41,2 Prozent die Kennzahlen auch messen. Oder umgekehrt ausgedrückt, dass sich fast 60 Prozent der Unternehmen im Blindflug befinden oder intuitiv handeln beim Beurteilen dessen, was sie tun. Dies würde erklären, warum die Befragten Social Media für ihre Geschäftsprozesse noch nicht erfolgreich einsetzen können. Wenn sechs von zehn Firmen die Wirkung der eingesetzten Tools nicht überprüfen, wie können sie dann einschätzen, wie Social Media gewinnbringend genutzt werden kann? Quantität ist weniger aussagekräftig als eine qualitätsorientierte Messung, etwa kombinierte Kennzahlen oder Herkunft der Leads.
Ebenfalls in Bezug auf das eingesetzte Social-Media-Budget trennt sich die Spreu vom Weizen. Das für die Kommunikation zur Verfügung stehende Marketingbudget ist bei der Mehrheit der Firmen vergleichsweise gering bemessen, sowohl am Gesamtbudget als auch am digitalen Budget: 49 beziehungsweise 59 von 99 Unternehmen investieren nur bis zu 15 Prozent des Gesamt- und digitalen Budgets in Social Media. Dies könnte auch erklären, warum die Effizienz von Social Media nicht besonders detailliert gemessen wird. Zusätzlich muss hier berücksichtigt werden, dass das Budget stark vom Paid-Anteil getrieben ist, das heisst, eine Website ist im Vergleich zur Printanzeige mitunter wesentlich günstiger. Lediglich zehn Firmen wenden 45 Prozent und mehr ihres Budgets für Soziale Medien auf. Interessanterweise beurteilen sich Unternehmen mit hohem Budget auch als kompetenter darin, via Social Media Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten oder neue Erlöse zu generieren als Firmen mit vergleichsweise niedrigem Budget.
Es findet langsam ein Umdenken statt
Selbst wenn sich die Schweizer Unternehmen nicht als Vorreiter der digitalen Transformation sehen und Social Media noch vermehrt aus Opportunitätsgründen und daher weniger strategisch eingesetzt wird, so findet doch ein Umdenken statt, das sich bei vielen Firmen konkret in Zielgrössen wie Reichweite und Image auswirkt. Die unterschiedlichen Reifegrade der Unternehmen spiegeln sich hier genauso wider wie die Gewichtung beziehungsweise die Rolle von Social Media innerhalb des Gesamt- und digitalen Budgets. Damit wird Social Media zunächst als billiges, zeitsparendes Reichweiten-Tool verwendet, komplexe Anwendungen mit Auswirkung auf Erlöse sind eher selten.
Inwiefern bei den Kommunikationsverantwortlichen kein Messbewusstsein vorhanden ist oder ob es an einem mangelnden Know-how einer aussagekräftigen Messung liegt, ist unklar. Vielleicht ist indes bei einigen Unternehmen Social Media doch (noch) zu unbedeutend oder aber man befindet sich bewusst in der Trial-and-Error-Phase. Das Potenzial, Geschäftsprozesse damit effizient zu beeinflussen, geht dabei auf jeden Fall verloren.
Toolbox für KMU als Fortsetzungsziel
Ein erfolgreicher Einsatz von Social Media hängt von vielen Faktoren ab: Erfahrung und Know-how, Art der Marketing- und Vertriebsziele, Grösse des Unternehmens und der Kommunikationsabteilung, Budget, Wahl und Vernetzung der Kanäle, Content und Storytelling und so weiter. Dies geht oftmals einher mit einem Change- Prozess, bei dem zum Beispiel interne und externe Sensibilisierung und Commitment, personelle und finanzielle Ressourcen, Bestimmungen von Verantwortlichkeiten, Mitarbeiterschulungen, Umsetzung sowie Controlling eine Rolle spielen.
In einem nächsten Schritt wird das «Social Media & B2B»-Team am Institut für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern auf Basis der beiden Studien und zusammen mit den Forschungspartnern eine Toolbox entwickeln, die Unternehmen einen praktischen, zielabhängigen Step-by-Step-Leitfaden zur Entwicklung einer Social-Media-Strategie und vor allem deren Umsetzung bietet.
Dieser Artikel von Anja Janoschka und Matthes Fleck ist am 10. März 2016 im Special «Markt + Verkauf» der «Handelszeitung» erschienen.