Overview
Neben einer Literaturauswertung wurden sechs Chöre aus der Deutschschweiz als Fallbeispiele untersucht. Dazu wurden Interviews mit den Chorleitenden und einzelnen Mitgliedern dieser sechs Chöre geführt. Aus den empirischen Daten und der Literaturauswertung wurden Thesen abgeleitet, die im Rahmen eines Workshops mit Experten des Chorwesens diskutiert und weiterentwickelt wurden.
Die Ergebnisse zeigen auf, dass das Chorwesen sehr dynamisch und vielfältig ist. Neben zahlreichen Chorauflösungen werden viele neue, oft auch nur kurzlebige Ensembles gegründet, und es lässt sich eine grosse Fluktuation der Mitglieder innerhalb von Chören feststellen. Es besteht ein klarer Trend zur Durchführung zeitlich begrenzter Chorprojekte und zur Gründung von Projektchören. Diese Entwicklungen stehen im Zusammenhang mit der nachlassenden Bereitschaft und Möglichkeit der Sänger/innen, sich längerfristig für eine Chorteilnahme zu verpflichten. Während die Zahl der Frauenchöre wächst, ist diejenige der Männerchöre rückläufig. Männerstimmen sind zudem in vielen gemischten Chören untervertreten. Die Chorformen und das Repertoire der Chöre werden insgesamt vielgestaltiger, was unter anderem auf die zunehmende Diversität innerhalb der Bevölkerung und auf die Globalisierung und Individualisierung zurückzuführen ist. Musikalische Inhalte stehen im Vergleich zu früher stärker im Zentrum für eine Chorteilnahme. Es lässt sich insgesamt eine Qualitätssteigerung und Professionalisierung sowohl auf künstlerischer, als auch auf organisatorischer Ebene feststellen, was mitunter in Verbindung mit der heutigen Leistungsorientierung der Gesellschaft sowie dem Einfluss elektronischer Medien steht. Das Chorwesen reagiert auf den demografischen Wandel einerseits mit intergenerationellen und interkulturellen Projekten, andererseits mit Angeboten für bestimmte Zielgruppen wie ältere Menschen, Jugendliche oder Menschen mit Migrationshintergrund. Es gibt verschiedene Spannungsfelder im Zusammenhang mit dem demografischen und gesellschaftlichen Wandel, die im vorliegenden Bericht thematisiert werden. Dazu gehören insbesondere Fragen der Inklusion und Exklusion von Sängern/-innen aufgrund spezifischer Zielsetzungen eines Chors.
Wenn das Chorwesen weiterhin wandelbar bleibt, sich den gesellschaftlichen Herausforderungen stellt und die daraus entstehenden Chancen erkennt, werden auch in Zukunft viele Menschen gemeinsam singen und damit eine heute äusserst lebendige Tradition weiterführen.