Overview
Ziel des Forschungsprojekts war die Untersuchung der verschiedenen Faktoren, die in den 1970er-Jahren zu einer grossen Dynamik in den drei Schweizer Städten Aarau, Genf und Luzern führten. An diesen drei Orten traten Künstlerinnen und Künstler in die Öffentlichkeit, die mit neuen künstlerischen Inhalten und Medien experimentierten, es entwickelten sich lebendige lokale Kunstszenen, Künstlergruppen und Gemeinschaftsateliers wie der Ziegelrain in Aarau. Institutionen wie das Kunstmuseum Luzern und nicht-institutionelle Ausstellungsorte wie das Centre d’Art Contemporain in Genf organisierten Ausstellungen, die ein überregionales und internationales Publikum anzogen. Eine pointierte Kunstkritik, Publikationen und Editionen trugen zu verstärkter nationaler und internationaler Wahrnehmung bei. In allen drei Städten entstand ein neues künstlerisches Selbstverständnis, ein Bewusstsein, nah am Puls der Zeit und am internationalen Kunstgeschehen zu sein.
Neben der Literatur- und Archivrecherche war die Oral History eine zentrale Methode des Projekts. Ziel war zu untersuchen, unter welchen Umständen in einer Stadt eine besondere Dynamik und Verdichtung entsteht. Die Leitfragen des Forschungsprojekts lauteten: In welchem kunsthistorischen, historischen, politischen und lokalen Umfeld entwickelt sich eine spezifische Dynamik und Eigenheit? Welche Rolle spielen dabei bestimmte Akteure wie Künstlerinnen, Kuratoren, Ausbildungsinstitute? Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen diesen institutionellen Räumen und der Kunstszene sowie dem Kunstmarkt? Wie gleichen beziehungsweise unterscheiden sich Wahrnehmungen und Einschätzungen von unterschiedlichen Beteiligten und wie unterscheiden sich damalige von heutigen Beurteilungen? Sind die Entwicklungen an den drei ausgewählten Orten vergleichbar?
Es wurden rund 40 Interviews mit Künstlerinnen, Kuratorinnen, Galeristen, Kunstkritikern, Kunsthistorikerinnen und Politikern geführt. Die Interviews bewegten sich im Spannungsfeld zwischen einer heutigen Perspektive auf die damaligen Ereignisse und der gemeinsamen Erkundung „wie es damals war“. Der Vergleich zwischen damals und heute war auch das Thema von zwei Workshops und Podien in Luzern und Genf. In ihrem Rahmen wurden im Sinne einer Critical Oral History die Ergebnisse und offenen Fragen aus den geführten Interviews mit einzelnen Interviewpartnerinnen und weiteren Experten aus dem Kulturbereich diskutiert. Eine Auswahl von Interviews und die Ergebnisse des Forschungsprojekts sind in der Publikation Kristallisationsorte der Kunst in der Schweiz. Aarau, Genf und Luzern in den 1970er-Jahren, Hg. Dora Imhof und Sibylle Omlin, Zürich: Scheidegger & Spiess, 2015 publiziert.