Overview
Das gemeinsame Forschungsprojekt der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, der Haute école de travail social Genf (HETS) und SEXUELLE GESUNDHEIT Schweiz war eine explorative Untersuchung mit einem qualitativen Design, die in den drei Sprachregionen Deutschschweiz, Romandie und Tessin durchgeführt wurde. Das Projekt wurde auf dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen zur besseren Bewältigung seiner Komplexität in zwei Phasen aufgeteilt (siehe 2. Phase). Die erste Phase von 2015 bis 2016 untersuchte die Wahrnehmung, Deutung und Praxis insbesondere der sexuellen Rechte als Grundlage informeller bzw. familiärer Sexualaufklärung. Im Fokus der Befragung standen Eltern und Jugendliche unter der Fragestellung, ob und inwiefern die sexuellen Rechte – inklusive dem Recht auf körperliche Unversehrtheit – in der familiären Sexualaufklärung integriert sind und welche Rolle bzw. Relevanz sie diesen beimessen. Zudem wurde gefragt, wie eine ideale Sexualaufklärung in der Wahrnehmung von Eltern und Jugendlichen aussehen müsste.
Die Ergebnisse der ersten Phase, einer Befragung von 27 Eltern (14 Mütter und 13 Väter) und 70 Jugendlichen (34 Mädchen und 36 Jungen), haben gezeigt, dass die Wahrnehmung und Deutung sexueller Rechte in der elterlichen Sexualaufklärung bei Eltern und Kindern sowohl Übereinstimmungen wie auch Ambivalenzen gegenüber bestimmten Rechten aufweisen. Auch wenn sexuelle Rechte nicht explizit in den Diskursen von Eltern und Jugendlichen thematisiert werden, beziehen sich die Eltern meist implizit auf diese Rechte. Für relevant halten beide Selbstbestimmung über den eigenen Körper, Schutz vor sexueller Gewalt, Schutz der Intim- und Privatsphäre sowie das Recht auf Bildung und Information, insbesondere die schulische Sexualaufklärung. Beide sind hingegen ambivalent beim Recht auf Sexualität zwischen Jugendlichen sowie hinsichtlich Informationen zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt.
Die Beantwortung der Frage nach einer idealen familiären Sexualaufklärung beinhaltet aus Sicht der von uns befragten Eltern vier wichtige Aspekte. Als erstes soll die verwendete Sprache dem Alter der Kinder angepasst sein. Zweitens halten die Eltern es für wichtig, Sexualaufklärung als Prozess zu gestalten und nicht als einzelnes Gespräch; tendenziell frühzeitig, das heisst vor der schulischen Sexualaufklärung. Drittens soll eine familiäre Sexualaufklärung in den Alltag eingebunden sein, damit Sexualität als Thema ohne künstliche Tabus behandelt wird. Viertens ist es den Eltern dabei wichtig, dass der Schutz ihrer und der Privatsphäre ihrer Kinder gewahrt bleibt. Die von uns befragten Eltern und Jugendlichen sehen eine schulische Sexualaufklärung grundsätzlich als eine sinnvolle Ergänzung zur familiären bzw. informellen Sexualaufklärung.
Detaillierte Forschungsergebnisse können der Publikation des interact-Verlags "Sexualaufklärung in Familie und Schule. Relevanz der Menschenrechte" entnommen werden.