Die Jahresmitteltemperatur könnte in der Schweiz bis Ende des 21. Jahrhunderts um 3,3 bis 5,4 Grad ansteigen. Das haben Forschungen des National Center for Climate Services (NCCS) ergeben. Diese Entwicklung wird auch Auswirkungen auf den Energiebedarf – insbesondere für die Kühlung – und die Behaglichkeit in Gebäuden haben. Am grössten ist das Bedürfnis nach Kühlung dann, wenn die Sonneneinstrahlung am intensivsten ist. Dies spricht dafür, die benötigte Kühl-Energie durch Photovoltaik (PV) zu erzeugen. Grünflächen wiederum sind wichtig, um bei Hitze die Aussenluft abzukühlen. In dicht bebauten städtischen Gebieten fehlt jedoch der Platz, um neue Grünflächen zu schaffen. Hier stellen Begrünungen an Gebäuden eine sinnvolle Alternative dar. Ein Forschungsteam der Hochschule Luzern hat deshalb die Akzeptanz von PV-Anlagen und Begrünung an Fassaden unter Bauherren und Planerinnen untersucht.
Investition zahlt sich aus
«Während auf Dächern die Vorteile von PV-Systemen und Begrünungen schon vermehrt genutzt werden, finden sie an Fassaden bisher weitestgehend keine Anwendung», erklärt Dr. Silvia Domingo, Forscherin an der Hochschule Luzern. Dabei wäre das Potenzial dafür an Gebäudefassaden hoch: «Der Energieertrag einer PV-Anlage ist an einer Südfassade im Winterhalbjahr aufgrund des jahreszeitlich bedingten tiefen Neigungswinkels der Sonne höher als auf einem Dach», so Silvia Domingo. Mit der Gebäudefassade hätte man zudem eine bereits vorhandene, nicht verwendete Fläche, ohne dass zusätzliche Quadratmeter in Anspruch genommen werden müssten. Hinzu kämen die grundsätzlichen Vorteile von PV: eine von Preisschwankungen und Versorgungsengpässen unabhängige Stromproduktion vor Ort mit langfristigen, ökonomischen Vorteilen.
Die Hemmnisse gegenüber solcher PV-Systeme und Begrünungen an Fassaden liegen laut Silvia Domingo vor allem in der Finanzierung sowie in fehlenden Richtlinien und Erfahrungen, beispielsweise im Bereich des Brandschutzes. Das sorge gemäss der Forscherin für Verunsicherungen bei Bauherren. Deshalb hat das Team im Rahmen des Projekts Empfehlungen erarbeitet, die es in einer Broschüre für Planerinnen, Bauherren oder Interessierte festgehalten hat.
Auch die Optik spiele eine Rolle, bestätigt Silvia Domingo: «Die Gebäudefassade mit schwarzen Solarpanels vollzupflastern entspricht nicht immer der der Vision von Bauherrschaften und Planenden. Dass Solarpanels zukünftig auch andere Farben und Texturen haben können, ohne dabei bedeutend an Wirkungsgrad einzubüssen, zeigt ein weiteres Projekt der HSLU.
Begrünte Fassade: wertvollen Beitrag für Allgemeinheit
Eine weitere Nutzung der Fassadenflächen ist die Begrünung. Neben dem Kühleffekt in den Sommermonaten bieten Fassadenbegrünungen zudem weitere Vorteile: sie fördern die Biodiversität, verbessern die Luftqualität durch die Bindung von Schadstoffen, produzieren Sauerstoff, mindern die Schallausbreitung im Strassenraum, tragen zur Regenwasserretention bei und steigern somit die Aufenthaltsqualität und Attraktivität von Aussenräumen. Letzteres ist insbesondere in städtischen Gebieten von Bedeutung.
Synergien nutzen
Begrünungen und PV-Anlagen lassen sich an Fassaden an einem Gebäude oft gut kombinieren und stehen nur selten in Konkurrenz zueinander. «PV kommt da zum Zug, wo eine hohe Energiegewinnung möglich ist, also an einer unbeschatteten Fassade in den oberen Stockwerken», sagt Silvia Domingo. Die Begrünung hingegen sollte gemäss der Forscherin nahe an den Menschen sein, die sich rund um das Gebäude aufhalten, oder an windgeschützten Orten wie Innenhöfen. «Dort entfaltet sie ihre hitzemindernde und lärmabsorbierende Wirkung am besten», erklärt die Forscherin. Die beiden Fassadennutzungen lassen sich gemäss der Studie daher gut kombinieren und tragen so zu einem angenehmeren Quartierklima und einer klimafreundlichen Stromproduktion bei.
Projekt GreenPV
Das Projekt GreenPV startete unter der Leitung von Gianrico Settembrini im Dezember 2021 und wurde per Mitte 2024 mit einem Schlussbericht beendet. Eine Broschüre mit Tipps und Empfehlungen steht auf der Projektwebsite zur Verfügung.
Finanziert wurde das Projekt mit einem Budget von rund 300'000 Franken vom Bundesamt für Energie BFE, von Privatpersonen und Stiftungen wie der der Steiner Lab Foundation. Ebenfalls unterstützten das Hochbaudepartement der Stadt Zürich und die Abteilung Umwelt und Energie der Stadt St. Gallen das Projekt. Epro Engineering und Ingold Gartenbau und Begrünungen waren als externe Projektpartner an der Studie beteiligt.