Rund 40 Millionen Tonnen Kies und Sand werden jährlich in der Schweiz für die Betonherstellung verwendet – Material, das insgesamt 1,6 Millionen Lastwagen füllt. Um diese Mengen zu vermindern, kann Beton von Abbruchhäusern rezykliert werden. Dies schont nicht nur Kies- und Sandvorräte, Landschaft und Verkehrswege, sondern reduziert auch den Landbedarf für Bauschutt-Deponien. Die Hochschule Luzern konnte nun durch Bauteilversuche zeigen, dass die Einsatzmöglichkeiten von Recyclingbeton breiter sind als gedacht.
Heute wird Recyclingbeton mehrheitlich aus sorgfältig aussortiertem Abbruchmaterial hergestellt. Der Beton, der dadurch entsteht, ist qualitativ hochwertig. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, weniger eingeschränkt auszusortieren. Dann entsteht bei der Aufbereitung sogenanntes Mischgranulat. Auch dieses kann anstatt Kies und Sand dem Zement beigemischt werden. Die Qualität dieses Betons ist dann jedoch unbestritten niedriger. Offen war bis jetzt aber die Frage, wie stark sich die Festigkeit tatsächlich verringert und welche Auswirkungen dies auf seine Verwendungsmöglichkeit hat.
Ohne Tests kein Einsatz
«Bis jetzt wurde Beton, der Mischgranulat enthält, noch ungenügend auf seine Tragfähigkeit hin getestet. Deshalb fehlt die Grundlage für einen effizienteren Einsatz dieses Baustoffes», erklärt Projektleiter Albin Kenel, Leiter des Instituts für Bauingenieurwesen der Hochschule Luzern. Durch die geringen Einsatzmöglichkeiten macht die Verwendung von Beton aus Mischgranulat wirtschaftlich kaum Sinn. Das ist paradox, denn eigentlich wäre gerade die erhöhte Wirtschaftlichkeit sein Vorteil: Der Verzicht auf das aufwändige Aussortieren beim Abbruch von Gebäuden bedeutet weniger Aufwand und es steht dadurch mehr Material für die Wiederverwendung zur Verfügung.
Um die Einsatzmöglichkeiten von Beton aus Mischgranulat zu erweitern, klärten nun Ingenieure des Instituts für Bauingenieurwesen der Hochschule Luzern unter anderem auf Initiative der Stadt Zürich, wie viel Belastung das Material tatsächlich aushält. Zu diesem Zweck liessen die Experten Platten herstellen, die den im Hochbau tatsächlich verwendeten entsprechen. Diese bauten sie an der Prüfstelle auf dem Campus in Horw auf Stützen auf und belasteten sie unter genauester Beobachtung schrittweise immer stärker, bis sich erste feine Risse zeigten und die Platte schliesslich versagte – beziehungsweise «durchstanzte», wie der korrekte Fachbegriff lautet. Das Ergebnis war bemerkenswert: «Die Durchstanz-Tragfähigkeit von Platten, denen Mischgranulat beigemischt ist, ist zwar um etwa fünf Prozent geringer als von Platten aus nicht-rezykliertem Material – der Unterschied fällt aber deutlich kleiner aus, als in den Normen festgelegt», erklärt Albin Kenel. Für ihn kommt das Resultat nicht überraschend, denn bereits frühere Tests der Hochschule Luzern hatten darauf hingedeutet.
Anpassung der SIA-Normen
Welche Materialien wann welcher Belastung ausgesetzt sein dürfen, wird in den Normen und Merkblättern des Schweizerischen Ingenieurs- und Architektenverein (SIA) festgehalten. Die Bemessungsvorgaben für Beton aus Mischgranulat waren bisher sehr konservativ – schliesslich handelte es sich um wenig getestetes Material. Nun, da klare Testresultate vorliegen, soll das SIA-Merkblatt bis ins Jahr 2020 entsprechend angepasst werden. Zurzeit befindet sich die überarbeitete Version in der Vernehmlassung. Damit wäre dann der Weg frei für den effizienteren Einsatz von Mischgranulat im Hochbau. Fürs Erste in der Schweiz, doch könnten die Versuche auf dem Campus in Horw auch die Weichen für andere europäische Länder stellen, die das Material bisher mangels Tests gar nicht einsetzen.
Armin Grieder vom Amt für Hochbauten der Stadt Zürich freut sich über die Testresultate: «Die Stadt Zürich ist sehr interessiert daran, im Hochbau Recycling-Beton aus Mischabbruch einzusetzen. Wir sehen hier ein grosses Potenzial, die Abfallberge, die sonst beim Abbruch von Bauten entstehen, zu verringern.»
An dem Projekt waren als Partner und Finanzierer neben der Stadt Zürich auch die Firma F.J. Aschwanden AG sowie die Baufirmen Toggenburger AG und Kibag AG beteiligt.
Ausbildung und Forschung gehen Hand in Hand
Zum Auftrag der Fachhochschulen gehören sowohl Aus- und Weiterbildung als auch Forschung. Wenn die beiden Aufträge Hand in Hand gehen, ist dies nicht nur für die Studierenden, sondern auch für zukünftige Arbeitgeber ein Gewinn. So gehörten zum Team der Hochschule Luzern, das die Tests plante, durchführte und auswertete, auch Master-Studierende. «Was die Studierenden bei diesen Versuchen über das Materialverhalten lernen, vergessen sie ein Leben lang nicht mehr», sagt Albin Kenel. «Dieses Wissen tragen sie nachher ins Berufsleben und in die Industrie.»