Die Integration von Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen in die Arbeitswelt stellt die Schweiz vor grosse Herausforderungen: Selbst nach fünf Jahren sind sie dreimal weniger häufig erwerbstätig als die ständige Bevölkerung. Deshalb haben sich Bund und Kantone auf eine gemeinsame Integrationsagenda geeinigt, die deutlich erhöhte finanzielle Investitionen vorsieht. Ab Mai 2019 wird die Integrationspauschale an die Kantone verdreifacht – Ausgaben die sich lohnen sollen.
Wie es gehen könnte, zeigt der Kanton Graubünden mit dem Pilotprojekt «Teillohnplus». Statt wie üblich Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen in Beschäftigungsprogrammen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, setzt die zuständige Fachstelle Integration auf eine möglichst direkte Integration in den Arbeitsmarkt. Die Idee: Die Teilnehmenden können während 1.5 Jahren Berufserfahrung in einem Betrieb sammeln. Sie erhalten während der Zeit vom Arbeitgeber nur einen Teil des Lohns; einen Teillohn, der mit Sozialhilfe ergänzt wird. Der Lohn steigt stufenweise von 500 auf 2500 Franken an. Im Gegenzug verpflichten sich die Arbeitgeber, die Mitarbeitenden berufspraktisch zu qualifizieren.
Vier von fünf Flüchtlingen erfolgreich integriert
Die Hochschule Luzern hat das Pilotprojekt Teillohnplus im Kanton Graubünden von 2015 bis 2018 in einer Studie evaluiert und zieht eine positive Bilanz: 84 Prozent der Teilnehmenden haben nach Abschluss eine feste Anstellung (63%) oder eine Berufslehre (21%) angetreten (siehe Abbildung). «Auch wenn die eher kleine Fallzahl von 57 Personen noch keine abschliessende Bewertung zulässt, ist die Erfolgsquote doch bemerkenswert», sagt Studienleiter Daniel Schaufelberger. Im Vergleich zu anderen Arbeitsintegrationsprogrammen ist das Modell zudem relativ kostengünstig, da die Teilnehmenden von Anfang an Lohn erhalten, weniger von der Sozialhilfe abhängig sind und somit die Behörden finanziell entlasten. Das Modell kann als neuer Ansatz für die berufliche Integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen für weitere Kantone dienen.
Job Coaches als Schlüsselfaktor
Als Erfolgsfaktoren erwiesen sich die «On-the-Job-Qualifizierungen» sowie die Tatsache, dass eine reale, feste Arbeitsstelle in Aussicht stand. Die Dauer und Vorgabe zur berufspraktischen Qualifizierung führte zu einer höheren Verbindlichkeit bei den Arbeitgebern wie auch bei den Flüchtlingen. Als Schlüssel erwiesen sich auch die ergänzenden berufsbegleitenden Bildungsanteile wie Sprachförderung und allgemeinbildender Unterricht sowie der Einsatz der Job Coaches des Kantons, welche Teilnehmende und Arbeitgeber individuell und bedarfsorientiert begleiten, Ziele vereinbaren, die Koordination mit Sozialdiensten sicherstellen, Standortgespräche führen und die Fortschritte beobachten. Wichtiger Bestandteil ist auch die Aufklärungsarbeit: «Viele Flüchtlinge wollen möglichst rasch Geld verdienen», so Schaufelberger. «Ihnen aufzuzeigen, dass sich diese Investition lohnt, statt eine schlechtbezahlte Hilfsarbeitsstelle anzutreten, ist elementar für die nachhaltige Arbeitsintegration.»
Die Evaluation zeigt, dass das Modell für eine breite Zielgruppe und in allen Berufsbranchen einsetzbar ist, sich aber insbesondere für Personen eignet, deren Arbeitserfahrung oder beruflichen Kenntnisse – nach einem ersten Praktikum – noch nicht für eine Anstellung zum Mindestlohn ausreichen.
Viele KMU stellen Flüchtlinge an
Die Teilnehmenden wurden vorwiegend von KMU angestellt. Im Bereich Hotellerie und Gastronomie (40%), Baugewerbe und Metallbau (13%), Gesundheitswesen (11%) und weiteren Branchen wie Informatik oder Detailhandel (36%). Lohnkontrolleure überprüfen in Betriebsbesuchen, ob die Vorgaben zur berufspraktischen Förderung eingehalten wurden und die Teilentlöhnung gerechtfertigt ist. «Es zeigt sich, dass die On-the-job-Qualifizierung in den Betrieben gut läuft», so Schaufelberger. So könne auch die Gefahr von Lohndumping eingedämmt werden. Optimierungspotential ortet Daniel Schaufelberger in einer Erhöhung der Ressourcen der Job Coaches, um die Förderung der Teilnehmenden sicherzustellen. Denn der Aufwand zahle sich in einer nachhaltigen Integration aus.