Der elfminütige Film «Bei Wind und Wetter» von Remo Scherrer (29) aus Oberwil-Lieli (AG) feiert seine Premiere auf den Filmfestspielen in Cannes (11. bis 22. Mai 2016) in der Selektion Cinéfondation. Der Film schildert als animierter Dokumentarfilm die Jugend von Wally Wagenrad. Er entstand 2016 als Abschlussfilm im Master of Arts in Design and Film (Vertiefung Animation) an der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Für den Wettbewerb «Cinéfondation Selection» wurden aus 2‘300 von internationalen Filmschulen eingereichten Arbeiten 18 Filme ausgewählt. Eine Jury vergibt einen Preis für die besten drei selektionierten Filme. Die Auswahl repräsentiert 15 Länder von drei Kontinenten.
Im Zuge seiner Recherchen zum Thema Kinder alkoholabhängiger Eltern stiess Remo Scherrer auf die Therapeutin Wally Wagenrad. «Als sie hörte, was ich vorhabe», sagt Scherrer, «hat sie mir ihre eigene Geschichte erzählt.» Wagenrads Jugend wird von der Alkoholsucht der Mutter überschattet. Hautnah erlebt das Mädchen die Exzesse und die Folgen der Sucht. Die Ignoranz und Tatenlosigkeit des Vaters, der Nachbarn, der Lehrer, der Gesellschaft verschärfen ihr Leben zwischen Ohnmacht, Überforderung und Verzweiflung.
Erinnerungen in harten schwarz-weissen Bildern
Wally Wagenrads bedrückende Erinnerungen animierte Scherrer mit Bildern in hartem Schwarz-Weiss. «Die Animation eignet sich besonders, um eine anonymisierte Geschichte zu erzählen», sagt Scherrer. Bewusst liess er Freiräume und Freiflächen. «Der Zuschauer muss die Geschichte fertig denken, die Leerräume füllen und die abstrakten Formen deuten.»
Wally Wagenrad lebt heute in Zürich und leitet dort die Praxis «Therapie & Beratung». Weil das Thema Alkoholismus in Familien selten aus Sicht der Kinder erzählt wird, will sie den Film als Impulsgeber in ihrer Arbeit einsetzen, um suchtpräventiv mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu arbeiten.