Ein typischer Konzertabend: nach der Ouvertüre das Klavierkonzert, in der Pause ein Glas Sekt, danach die Sinfonie, das Ganze möglichst nicht länger als zwei Stunden. Denn der Tag war lang, es fährt der letzte Bus, das Parkhaus schliesst... Was aber, wenn die Musik unsere Zeiterwartungen sprengt, unzumutbar wird? Wenn ein ganzes Werk zwölf Stunden unserer kostbaren Zeit abverlangt oder kaum eine Minute dauert? Wenn der Komponist ein Musik-motiv so lange wiederholt, bis sich unser Zeitgefühl völlig auflöst? Das Experimentieren mit der Zeit ist Thema des diesjährigen Festivals «Wege der Wahrnehmung», zu dem das Studio für zeitgenössische Musik der Hochschule Luzern einlädt. «In der Musik hat Zeit die Rolle einer Leinwand. Sie ist die Fläche, auf der Klänge in Zusammenhänge gebracht werden, die das Ohr erfassen kann» sagt Erik Borgir, Leiter des Festivals. Daher würden die Studierenden zusammen mit dem renommierten deutschen Komponisten und Dirigenten Enno Poppe Werke aufführen, die «unüberhörbar ganz neue Dimensionen in Bezug auf unser zeitliches Empfinden eröffnen», so Borgir.
Den Auftakt macht am Freitag, 15. April, eine polyrhythmische Zufallsstudie von György Ligeti mit Hundert in verschiedenen Geschwindigkeiten tickenden Metronomen. Danach werden unter dem Titel «Gegen unendlich – Ein Konzert zum Thema Zeitfelder, Zeitdimensionen und Zeitdauer» Stücke von Gérard Grisey und Morton Feldman gespielt, beispielsweise das epochale Kammermusikwerk «Vortex Temporum». Am Samstag, 16. April, stehen unter anderem «Stillleben mit Musik» – kurze Solowerke mit Hallenbad-Begleitung von György Kurtàg, Enno Poppe, John Cage, Olivier Messiaen, Matthias Pintscher – auf dem Programm. Tags drauf, am 17. April, gibt es inmitten des sonntäglichen Neubad-Flohmarkts mit «Minimal Music» eine Zeiterfahrung auf engstem Raum mit Werken von Steve Reich und Terry Riley.
Das komplette Programm des dreitägigen Festivals «Wege der Wahrnehmung: Eine Frage der Zeit» findet sich unter www.hslu.ch/wege-wahrnehmung. Der Eintritt ist frei (Kollekte).
