Von der Renaissance bis heute wurde die Musik stark geprägt von der Thematik der Migration und des Exils: Musikerinnen und Komponisten wanderten aus, weil sie sich woanders grösseren wirtschaftlichen Erfolg erhofften, um sich vor politischer Verfolgung zu retten, der Liebe wegen – oder sie zogen sich aus Enttäuschung ins innere Exil zurück. «Das Thema ist im musikalischen Kontext hochinteressant, da solche Bewegungen sich auch immer in den Werken spiegeln und ihren musikalischen Charakter beeinflussen», erklärt Michael Kaufmann, Direktor der Hochschule Luzern – Musik. So prägen Heimatgefühle, Traditionen und Bruch mit Traditionen, Aufschrei oder Versöhnung die Werke von Komponisten wie Béla Bartók, Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Erich Wolfgang Korngold, Robert Schumann und vielen anderen, die im Rahmen des diesjährigen Festivals «Szenenwechsel» der Hochschule Luzern aufgeführt werden.
Big Band, Volksmusik und Orgelklänge
Eröffnet wird das Festival am 24. Januar im Luzerner Saal des KKL Luzern von der Big Band der Hochschule Luzern mit Franck Tortiller am Vibrafon. Gespielt wird dessen Werk «Sentimental ¾», eine Hommage an die französische Volksmusik, mit dem der Burgunder 2007 den Django d’Or für die beste Livemusik gewann. Am 25. Januar präsentiert das studentische Bläserensemble in der Jazzkantine Volksmusik aus jener Zeit, als viele Schweizer auswanderten, und die Alpini Vernähmlassig spielt Stücke zum Thema Exil aus ihrem neuen Programm. Die Orgelvesper am 26. Januar in der Lukaskirche widmet sich «hoffnungsvoller Musik in düsteren Zeiten» von Paul Hindemith, Arnold Schönberg und Ernst Krenek. Alle drei Komponisten hatten unter der nationalsozialistischen Herrschaft Deutschlands keine Möglichkeit, ihr künstlerisches Schaffen zu entfalten.
Zusammenarbeit des Luzerner Sinfonieorchesters und der Jungen Philharmonie Zentralschweiz
Ein Highlight bildet das Sinfoniekonzert am 27. Januar im KKL Luzern. Es werden Werke von Béla Bartók und dem Filmkomponisten Erich Wolfgang Korngold aufgeführt, die während des zweiten Weltkriegs im amerikanischen Exil entstanden sind. Als Kontrast dazu erfolgt die Uraufführung des Werks «Spuren» der Schweizer Komponistin Katharina Rosenberger. Unter der Leitung von Steven Sloane treten das Luzerner Sinfonieorchester LSO und die Studierenden der Jungen Philharmonie Zentralschweiz erstmals im Rahmen des Festivals gemeinsam auf. LSO-Intendant Numa Bischof Ullmann sieht darin einen vielversprechenden Ansatz für die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit beider Institutionen. «In Luzern als international profilierte Musikstadt soll und wird der Schulterschluss zwischen hochkarätiger Ausbildung und dem aktuellen Konzertbetrieb unbedingt gesucht und verstärkt werden.»
Konzerte im Neubad
Die beiden letzten Konzerte finden im Neubad statt. Am 28. Januar setzt sich das Studio für zeitgenössische Musik der Hochschule Luzern musikalisch mit der Frage nach dem Exil als künstlerische Notwendigkeit auseinander. Am 29. Januar werden in einem Kammermusikkonzert mit Werken von Bohuslav Martinů, Paul Hindemith, Ernst Levy und Leoš Janáček diverse Aspekte von Emigration durchleuchtet.
Internationales Symposium «Exile and Emigration in Music Culture»
Ergänzend zu den Konzerten widmet sich am 26. und 27. Januar ein Symposium mit international renommierten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen dem Festivalthema. Es öffnet die Perspektive auf sämtliche Situationen, in denen Personen aus politischen, religiösen und wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat entweder physisch oder im Sinne einer inneren Emigration verlassen und lädt zur Diskussion über neueste Erkenntnisse zur musikalischen Exil- und Emigrationsforschung. Das vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte Symposium findet im Saal der Maskenliebhaber-Gesellschaft in Luzern statt.
Gedenken an Israel Yinon
Das Festival und insbesondere das Sinfoniekonzert vom 27. Januar sind dem Dirigenten Israel Yinon (1956–2015) gewidmet, der am letztjährigen Festival während der Aufführung der «Alpensinfonie» mit der Jungen Philharmonie Zentralschweiz unerwartet verstorben ist. «Die Thematik des Exils, der Emigration stand dem Weltbürger nahe und beschäftigte ihn immer wieder», so Direktor Michael Kaufmann.