Sinkende Steuereinnahmen, ungenügende Liquidität, eine unzulängliche Abfallentsorgung, Veruntreuung von Staatsgeldern, ein Ausfall der IT, hohe Fluktuation, Kostensteigerung in der sozialen Wohlfahrt usw. Dies sind nach Auskunft von 19 Gemeinden und Bezirken aus der Deutschschweiz gegenwärtig ihre grössten Risiken. Die Untersuchung haben die Hochschule Luzern und die Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführt.
Eine Aufteilung aller genannten Risiken in fünf Kategorien (finanzielle, rechtliche, operationelle, strategische Risiken sowie Sach- und Elementarrisiken) zeigt, dass die Kommunen finanzielle Risiken sowie Sach- und Elementarrisiken am häufigsten anführen. Befragt nach den Risiken in fünf bis zehn Jahre, kommen weitere Kategorien hinzu: Gemäss den Gemeinden und Bezirken dürften insbesondere auch gesellschaftliche, strategische und politische Fragen zur Herausforderung werden. Die Bestellung von Behörden oder die sinkende Bereitschaft der Bevölkerung, in der Gemeinde mitzuarbeiten, sind Beispiele dafür.
Kontrollinstrumente werden zu wenig systematisch eingesetzt
Angesichts dieser zahlreichen, unterschiedlichen Risiken haben die Gemeinden schon immer interne Kontrollen vorgenommen und gerade bei strategischen Fragen durchaus Risikoüberlegungen angestellt. «Bisher geschah dies aber zu wenig systematisch», konstatiert Stefan Hunziker von der Hochschule Luzern. So zeigte die Untersuchung der 19 Gemeinden und Bezirke, dass lediglich drei davon ein formales internes Kontrollsystem (IKS) implementiert hatten und sogar nur zwei Gemeinden in Risikomanagement betrieben.
«Der Einsatz beider Instrumente wird jedoch dringlicher, denn die Gemeindeaufgaben werden immer komplexer. Gleichzeitig erwartet die Öffentlichkeit vermehrt eine effiziente, kostengünstige Verwaltungstätigkeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern. Die Gemeinden sind daher gut beraten, ein Risikomanagement und ein internes Kontrollsystem zu betreiben. Der systematische Umgang mit Risiken hilft, die Gemeindeziele sicherer zu erreichen», sagt Stefan Hunziker. Dabei nennt er Ziele wie die Transparenz über externe und interne Risiken, effiziente Arbeitsprozesse, rechtskonformes Handeln, wahrheitsgemässe Buchführung oder schlicht weniger Fehler bei der täglichen Arbeit.
Gemeindespezifischer Risikokatalog erstellt
Die beiden Fachhochschulen haben einen Leitfaden erarbeitet, nach dem die Gemeinden ein Risikomanagement und ein internes Kontrollsystem einführen können. «Grundsätzlich erfolgt die Einführung des ganzheitlichen Risikomanagements in drei Phasen – Planung, Implementierung und Betrieb. Um die Komplexität zu reduzieren, haben wir sie in zehn Schritte aufgeteilt, die nach und nach zum Ziel führen», sagt Yvonne Dietiker von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Dieser 10-Schritte-Plan ist das zentrale Element des Leitfadens:
- Vorbereitung: Gemeinderatsbeschluss für ein ganzheitliches Risikomanagement; Konzepthandbuch erstellen
- Internes Umfeld: Risiko- und Kontrollkultur schaffen/vertiefen; Bestandesaufnahme: Welche Elemente bestehen bereits, was fehlt noch?
- Information und Kommunikation: Interne und externe Kommunikation festlegen
- Risikomanagement: Risiken identifizieren, erfassen und bewerten; Massnahmen bestimmen
- Internes Kontrollsystem: Organisationsbereiche bestimmen, Jahresrechnung analysieren, Schlüsselprozesse selektieren und Kontrollen zuweisen
- Verknüpfung Risikomanagement und Internes Kontrollsystem: Synergien der beiden Instrumente erkennen und nutzen
- Aktionsplan: festgestellte Schwächen aufführen und beheben; Aktionsplan wird parallel zur gesamten Implementierung geführt und kurz vor Abschluss bewusst nachgeführt
- Präsentation im Gemeinderat: Gemeinderat Gelegenheit für Korrekturen/Ergänzungen bieten
- Abschluss Implementierung: ganzheitliches Risikomanagement mit Gemeinderatsbeschluss abnehmen lassen
- Information und Schulung der Mitarbeitenden: Mitarbeitende lernen ihre Rolle kennen
Um die Gemeinden bei der Identifizierung und Bewertung möglicher Risiken zu unterstützen, hat das Forschungsteam zusätzlich einen gemeindespezifischen Risikokatalog erstellt – auf Grundlage der Risikobefragung der 19 beteiligten Gemeinden und Bezirke. Ein besonderes Augenmerk lag zudem auf der Ausgestaltung eines internen Kontrollsystems, das an die Bedürfnisse von Kommunen angepasst ist. In der Privatwirtschaft ist ein solches fast ausschliesslich auf eine korrekte Buchführung und eine verlässliche finanzielle Berichterstattung ausgerichtet.
«Das ist für Gemeinden zu kurz gegriffen. Denn öffentliche Verwaltungen sind per Gesetz unter anderem zu einer effizienten und effektiven Haushaltsführung verpflichtet, die Bevölkerung hat einen Anspruch auf Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit und schliesslich ist der Vermögensschutz ein wichtiges Thema», sagt Yvonne Dietiker.
Wichtigkeit der Instrumente nimmt zu
Stefan Hunziker und Yvonne Dietiker sind überzeugt, dass eine ganzheitliche Risikosteuerung für immer mehr Verwaltungen wichtig wird. Auch die Gemeinden selber schätzen den künftigen Stellenwert von Risikomanagement und IKS als hoch oder zunehmend ein. Die Kommission für Technologie und Innovation KTI des Bundes hat die Erarbeitung des Leitfadens finanziell unterstützt, Praxispartner war die Treuhand- und Revisionsgesellschaft Mattig-Suter und Partner.
Forschungsergebnisse in einem Buch zusammengefasst
Die gesammelten Forschungsergebnisse inklusive Zehn-Schritte-Plan und Risikokatalog sind im Fachbuch «Ganzheitliche Risikosteuerung in 10 Schritten – Risikomanagement und IKS für Schweizer Gemeinden» von Stefan Hunziker, Yvonne Dietiker, Kaspar Schiltz und Lothar Gwerder beschrieben. Die Publikation ist im Mai beim Haupt Verlag Bern erschienen und kann sowohl unter www.haupt.ch als auch im Handel bezogen werden: ISBN: 978-3-258-07921-9.