Seeblick und Stadtnähe – der Sempacher Weiler Kirchbühl ist gut gelegen und baukulturell bedeutend: Im Zentrum steht die mittelalterliche Kirche, umgeben von historischen Bauernhäusern und drei imposanten Scheunen. Heute stehen zwei von ihnen aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft leer.
Was mit ihnen geschieht und wie sich der Ort entwickeln kann, ist jedoch fraglich. Denn Weiler – Kleinstsiedlungen mit nur wenigen Gebäuden – stehen vor einem Problem: Einerseits müssen sie sich veränderten Gegebenheiten anpassen, andererseits darf in Weilerzonen nur unter strengsten denkmalpflegerischen und raumplanerischen Vorgaben gebaut werden.
Ein interdisziplinäres Team der Hochschule Luzern hat deshalb für den Weiler Kirchbühl im Auftrag der Stadt Sempach eine Entwicklungsstrategie erarbeitet und konkrete Leitlinien definiert. Darüber hinaus formulierten die Architektinnen und Regionalökonomen auch Abläufe und Planungsgrundsätze, die sich auf andere Weiler übertragen lassen. «Unsere Leitlinien für Kirchbühl zeigen auf, ob und wie der Weiler wachsen kann. Sie geben ortsbauliche Grenzen vor und regeln die Mobilität», erklärt Projektleiter Stefan Kunz.
Jeder Umbau muss ins Ortsbild passen
«Die Scheunen, die für das Ortsbild von grosser Bedeutung sind, sollen bleiben», hält Kunz fest. Die Siedlung soll vorerst maximal von 60 auf 80 Bewohner wachsen; Neubauten mit reiner Wohnnutzung sind ausgeschlossen. Wohnraum für Zuzüger können – nach klaren Regeln umgebaut – unter anderem die leer stehenden Scheunen bieten. Ersatzbauten sind nur möglich, wenn die Bausubstanz der Scheunen mangelhaft ist. «Generell muss die bauliche Entwicklung den historischen Charakter dieser besonderen Siedlungsform qualitätsvoll ergänzen», betont Kunz. Für Neu-, Um- und Anbauten gibt es klare Regeln. So gilt es beispielsweise, bestehende Dachformen, Neigungen und die Materialisierung zu übernehmen. Zudem sollen der Massstab und die Form an das bauliche Umfeld angepasst sein.
Einbezug von Anwohnern
Was nach strengen Vorgaben klingt, ist das Ergebnis von Dialog und Mitwirkung: Neben der Stadt Sempach sowie den kantonalen Stellen wurden auch die Bewohnerinnen und Hauseigentümer des Weilers hinzugezogen: «In Workshops und Interviews haben sie eingebracht, wie der Weiler künftig aussehen soll», so Stefan Kunz. Das partizipative Vorgehen sei essenziell, um die unterschiedlichen Bedürfnisse aufzunehmen und abzuwägen. Und manchmal sei es überraschend: «Wider Erwarten waren sich alle darüber einig, dass die Scheunen grundsätzlich bleiben sollen.»
Die Leitlinien werden nun in den «Richtplan Weiler Kirchbühl» überführt, der der Gemeinde Sempach als Grundlage für die anstehende Ortsplanungsrevision dient. Das Projektteam ist überzeugt, mit dem Prozess ein Instrument geschaffen zu haben, das auch andere Schweizer Weiler in die Zukunft führen kann.
Autorin: Bettina Jakob
Foto: Hochschule Luzern