Wie sollten sich Studierende in Prüfungs- und Lernphasen ernähren?
Wer schlank ist, vielleicht auch sportlich, kann fünfmal am Tag essen: Frühstück, Znüni, Mittagessen, Zvieri, Nachtessen. Wer ein wenig auf seine Figur achten will, sollte seine Mahlzeiten bewusst planen und besonders das Naschen zwischendurch in den Griff bekommen. Für die Hauptmahlzeiten empfehle ich, Kohlenhydrate, Proteine und idealerweise Obst oder Gemüse zu mischen. Für Zwischenmahlzeiten, in denen es wirklich darum geht, das Hirn mit genügend Energie zu versorgen, sind Früchte sehr geeignet. Manchmal ist auch ein Stück Brot und – ich sag es ganz leise – ein bisschen Schokolade sinnvoll.
Und in der Prüfung selbst, wenn sie länger dauert?
Wenn Sie vorher ein gutes Znüni gegessen haben, ist nichts weiter nötig. Wer vor der Prüfung nichts herunterbringt, kann ein isotonisches Getränk oder Apfelschorle trinken. Dann steht regelmässig Energie zur Verfügung, ohne, dass der Magen- Darm-Trakt durch zu viel Nahrung belastet wird. Als Snack und um in der Prüfung die Nerven zu beruhigen, sind kleine Brothäppchen, Knäckebrot, Reiswaffeln oder Dörrfrüchte geeignet. Nicht so toll sind Süssgetränke, weil da sehr viel Zucker drin ist. Für den Magen-Darm-Trakt ist es schwer, diesen schnell genug abzubauen.
Welches Essen liefert die beste Energie?
Kohlenhydrate sind Energielieferant Nummer eins. Sie sind wichtig für die Muskelleistung, als Brennstoff für unseren Stoffwechsel und besonders auch für unser Hirn. Kohlenhydrate geben Energie, die dem Körper relativ rasch zur Verfügung steht.
Sind Brot und Kartoffeln zu Unrecht als Dickmacher verschrien?
Ja, der Ruf ist falsch. Brot und Kartoffeln haben wegen ihres tiefen Fettgehalts wenig Kalorien, dafür einen guten, langanhaltenden Sättigungseffekt. Müsliriegel, die viele als Ersatz sehen, sind deutlich schlimmer. Gefährlich sind viel eher versteckte Zuckerquellen, etwa in Joghurts oder Süssgetränken.
Was wäre also ein gutes Frühstück?
Eines, das Kohlenhydrate enthält, am besten Vollkornbrot oder -flocken. Und dazu etwas, das langsamer verdaut wird. Das gilt für alle Nahrungsmittel, die Proteine oder Eiweisse enthalten. Ideal wäre also Brot mit Käse oder Ei, Müsli mit Milch oder Quark oder ein Porridge. Wer später kein Znüni essen möchte, kann schon dem Frühstück hochwertige Fette hinzufügen, etwa Nüsse, Kerne oder Samen ins Müsli. Optimal wäre noch eine Frucht, die enthält Nahrungsfasern und Kohlenhydrate in Form von Frucht- oder Haushaltszucker. So ein Frühstück sorgt dafür, dass im Laufe des Morgens immer ein bisschen Energie abgegeben und man nicht wieder hungrig wird.
Wie lange bleibt man denn nach einer Mahlzeit satt?
Je mehr Fett und/oder Proteine man isst, desto länger hält die Sättigung an. Aber die Antwort auf die Frage hängt von vielen Faktoren ab. Wenn eine Person etwa gut trainiert ist und viel Muskelmasse hat, wird sie ihr Frühstück deutlich schneller verarbeiten, denn sie hat auch in der Ruhephase einen aktiveren Stoffwechsel.
Also müssen Sportler öfter essen?
Ja, das wird häufig unterschätzt. Es heisst oft, wenn man abnehmen will, soll man sich mehr bewegen. Da geht es nicht so sehr um die Kalorien, die man in einer Stunde Jogging verbraucht – das ist überschaubar. Vielmehr bauen wir mit regelmässiger körperlicher Aktivität Muskelmasse auf und verbrauchen somit auch in Ruhephasen mehr Kalorien.
Als Ernährungsberaterin müssen Sie schauen, welcher Typ Mensch vor Ihnen sitzt.
Absolut! Es ist ganz wichtig, dass man sich in die Kunden hineinfühlt. Habe ich einen Sportler, eine 90-Jährige, eine Frau, einen Mann vor mir? Für manche ist es schon sehr stressig, allein eine Treppe hochzugehen, weil sie kaum noch Muskelmasse haben. Wer das nicht akzeptiert, wird nichts erreichen. Und wenn mir der Kunde sagt, er komme morgens nicht zum Bett heraus und habe keinen Appetit, dann brauche ich einen Plan B.
Sie arbeiten seit 34 Jahren als Ernährungsberaterin. Welche Probleme beschäftigten die Leute besonders?
Körpergewichtskontrolle: Die Menschen finden sich zu dünn, zu schwer oder ihr Gewicht nicht gut verteilt. Zudem geht es immer häufiger um Unverträglichkeiten.
Thema Diäten: Welche ist die Beste?
Jede Diät muss individuell sein, eine «für alle beste Diät» gibt es nicht. Dreimal am Tag ausgewogen essen, zuckerfreie Getränke trinken, im Alltag körperlich aktiv sein – das kann eine gute Methode sein. Aber die Bauersfrau, die um sechs Uhr aufsteht und um 23 Uhr ihr Bügeleisen weglegt, hält das nicht aus. Es gibt dieses einfache Rezept nicht. Punkt.
Thema Unverträglichkeiten: Vertragen die Menschen immer weniger?
Zum Teil. Viele bilden sich ihre Unverträglichkeiten auch ein. Früher hat man bei ein wenig Bauchgrummeln gedacht: Es wird morgen wieder besser sein. Heute sucht man bei jedem Wehwehchen den Grund. Und viele Menschen fragen sich: Ist ein Lebensmittel schuld?
Reden deshalb alle über Milch- bzw. Laktose-Unverträglichkeit?
Milch-, aber auch Gluten-Unverträglichkeit sind im Moment ein Riesenhype. Ebenso die Angst vor Unverträglichkeit von Zusatzstoffen. Dabei leiden nur sehr, sehr wenige Menschen wirklich daran. Viele denken auch, sie hätten Jodunverträglichkeit, dabei gibt es die nicht.
Warum sind die Menschen so nervös?
Ich glaube, wir haben uns so an den Fortschritt der Medizin gewöhnt, dass wir nicht akzeptieren können, dass es Leiden gibt, gegen die man nichts tun kann. Der Darm ist ein gefundenes Fressen für Unpässlichkeiten, weil sich dort bis zu zwei Kilo Bakterien befinden, die da auch hingehören. Die aber je nachdem, was man isst, manchmal arbeiten und manchmal Feste feiern.
Leben die Menschen heute gesünder als zu Beginn Ihrer Tätigkeit?
Ich nehme das nicht wahr, die Wissenschaft kann das auch nicht bestätigen. Mir fällt auf, dass die Kluft immer grösser wird zwischen denen, die unglaubliche Mengen essen, und denen, die extrem zurückhaltend sind.
Haben Essstörungen zugenommen?
Ja. Anorexie und Bulimie. Auch Orthorexie ist immer häufiger.
Was ist das?
Orthorexie ist die krankhafte Sucht, gesund zu essen. Die Betroffenen empfinden immer mehr Lebensmittel als potenziell gefährlich und leiden an vermeintlichen Unverträglichkeiten. Darum stehen sie stundenlang im Laden und wissen nicht, was sie kaufen sollen. Die verschiedenen Essstörungen vermischen sich auch oft. Das hat viel mit Leistungsdruck und mit der Überflussgesellschaft zu tun. Entsprechend beobachte ich bei jungen Männern eine krankhafte Sucht nach Muskelwachstum. Sie essen Unmengen von Proteinen, nehmen innert kürzester Zeit kiloweise zu. Wenn sie dabei viel trainieren, ist das meistens Muskelmasse. Auch das geht mit sehr schrägen Essgewohnheiten einher, etwa neun Eiern am Morgen, die sie dann natürlich nicht gut verdauen.
Haben Sie deshalb ein Buch rund ums Essen geschrieben, weil Sie immer dieselben Fragen beantworten müssen?
Ja. Mir scheint, wir schwimmen heute in einem Meer von Informationen, aber das Wissen ist oft sehr mager. Kommt hinzu: Essen ist sehr individuell. Die Bedürfnisse sind ebenfalls äusserst verschieden. Und vieles wissen wir nicht. Deshalb sollten wir uns einfach nicht zu ernst nehmen – daher auch die Prise Humor im Buch.
Interview: Valeria Heintges
Foto: Angel Sanchez
Expertin Beatrice Conrad Frey über vier Ernährungsmythen
Mythos 1: Glutenfrei ist immer gut
Sehr wenige Menschen leiden an Zöliakie, für sie sind glutenfreie Nahrungsmittel die einzige Therapie. Wer aber nicht daran leidet und sich trotzdem glutenfrei ernährt, kann sich neue Probleme einhandeln: Denn weil glutenfreies Gebäck sehr stark gebacken ist, fehlen wichtige Nahrungsfasern und Vitamine der B-Gruppe, die im vollen Korn enthalten sind.
Mythos 2: Milchprodukte sind schlecht bekömmlich
Sehr wenige Menschen leiden an Laktoseintoleranz, sie sollten auf laktosefreie Nahrungsmittel umsteigen. Joghurt ist meist weniger problematisch, die darin enthaltenen Bakterien helfen, Laktose doch zu verdauen. Und je länger ein Käse reift, umso mehr wird die Laktose in Milchsäure umgewandelt. Hartkäse enthält deshalb keine Laktose mehr, Weichkäse nur wenig. Frischkäse hingegen deutlich mehr. Für alle anderen Menschen liefert Milch Proteine, Fette und Kohlehydrate im ausgewogenen Verhältnis, dazu Calcium, Eisen, Jod, Phosphor und die Vitamine B6 und B12. Die Autoren empfehlen, drei Portionen Milchprodukte pro Tag, denn Milch hat auch einen günstigen Einfluss auf den Blutdruck und scheint gegen Diabetes vorzubeugen. Beides ist zum Beispiel bei Sojamilch nicht der Fall.
Mythos 3: Eier sind ungesund
Eier enthalten hochwertiges Eisen und neben Fett einen Cocktail von lebenswichtigen Inhaltsstoffen wie Eisen, Phosphor, Jod und Zink, zudem alle Vitamine ausser Vitamin C. Die Nährstoffe sind übrigens vor allem im Eigelb, das Eiweiss besteht hauptsächlich aus Wasser. Eier können daher auch gut als Fleischersatz dienen (2-3 Eier geben entsprechend viel Eiweiss). Die These, Eier seien ungesund wegen des hohen Cholesterinwerts, ist erwiesenermassen falsch: Der Einfluss des Nahrungs-Cholesterins auf den Blut-Cholesterin ist äusserst gering. Lediglich Diabetiker sollten vorsichtig sein.
Mythos 4: Je mehr Früchte, desto besser
Früchte bestehen vor allem aus Wasser, enthalten Vitamine und Mineralstoffe, regen dank der enthaltenen Nahrungsfasern die Verdauung an und sättigen gut. Manche Früchte sind zudem entzündungshemmend, andere hemmen Krebs oder unterstützen das Immunsystem. Aber zu viel Fruchtzucker kann die Fettverbrennung beeinträchtigen und Früchte als Zwischenmahlzeit können deshalb die Gewichtskontrolle erschweren. Die Autoren empfehlen daher nicht mehr als zweimal Früchte pro Tag.