Mit Power zum eigenen Unternehmen
Die Hochschule Luzern bietet ein ideales Umfeld, um ein eigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen. Fünf Start-ups berichten von ihren Anfängen.
Ein starker Partner im Rücken
Im Januar 2018 erhielten Gabriel Barroso (43) und Sergio Tresch (27) eine gute Nachricht. Ihre Crowdfunding-Aktion war ein Erfolg: 44 Personen hatten ein E-Bike der Marke Aureus-Drive bestellt und im Voraus bezahlt. Damit konnten endlich die nötigen Komponenten reserviert und die Bikes zusammengebaut werden.
Entwickelt haben Barroso und Tresch, beide Wissenschaftliche Mitarbeiter am Departement Technik & Architektur, die Velos in ihrer Freizeit. Was ist an diesen so speziell, dass jemand bereit war, 2’190 Franken zu bezahlen? «Normalerweise bezahlt man für ein E-Bike, das gleich viel leistet, deutlich mehr. Bei uns ist das Preis-Leistungs-Verhältnis besser», sagt Gabriel Barroso. «Das war darum möglich, weil wir bei jeder einzelnen Komponente konsequent darauf geachtet haben und ohne Zwischenhändler arbeiten.»
Trotz des deutlich günstigeren Preises sind ihre Kunden auf einem stilvollen Gefährt sicher und umweltgerecht unterwegs. «Ein E-Bike braucht etwa dreissig Mal weniger Energie als ein Auto.» Deshalb, und auch weil es gesund ist und Spass macht, möchten sie möglichst viele Menschen motivieren, mit dem E-Bike zur Arbeit zu fahren. Das Zulassungsprozedere und die nötigen Strassentauglichkeitstests haben sie erfolgreich abgeschlossen.
Mit dem Crowdfunding konnten sie ein klassisches Problem von Start-ups umgehen. Nämlich, dass man Geld investieren muss, bevor man dieses einnimmt. Da half auch die Unterstützung von Smart-up: Das Unternehmensgründungsprogramm der Hochschule Luzern stellte Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung. Das dadurch gesparte Geld konnten die Velofans in den Aufbau ihrer Firma stecken. Darüber hinaus stellten sie fest: «Dass wir die Hochschule im Rücken hatten, verstärkte Partnern gegenüber unsere Glaubwürdigkeit.» www.aureusdrive.ch
Inputs aus dem Studium
Leonie Risch ist mit Leder aufgewachsen; ihre Familie führt seit 90 Jahren ein Schuhgeschäft in Liechtenstein. «Ich hatte immer schöne Lederwaren um mich herum», sagt sie. Seit 2017 entwirft und produziert die Studentin selber Taschen. «Mir liegt viel an einem klassischen, zeitlosen Design, das für alle Situationen die richtige Wahl ist. Das Innenleben ist jedoch bunt – die Tasche soll jedes Mal Freude machen, wenn man sie öffnet», beschreibt sie ihr Produkt.
Qualität steht für die 23-Jährige im Zentrum. Sie zeigt sich im Detail: Der breite Lederstreifen zum Beispiel, der die Taschenseiten und den Boden bildet, besteht aus einem einzigen Stück, auch wenn das teurer ist. Ihre Kollektion umfasst aktuell schwarze Lederhandtaschen in drei Grössen und Designs. Für den kommenden Winter sind sie auch in Weiss, Dunkelblau, Dunkelbraun und Dunkelgrün geplant, mit jeweils unterschiedlich bedruckten Innenfuttern aus Seide.
Jedes Detail hat sie sorgfältig ausgewählt und teilweise monatelang nach dem richtigen Reissverschluss, der benötigten Lederstabilität und dem passenden Seidenstoff gesucht – und auch nach der richtigen Manufaktur. Diese hat sie nun im Tessin gefunden. Damit unterstützt sie nicht nur hiesiges Handwerk; die räumliche Nähe gibt ihr zudem die Möglichkeit, letzte Details zu Lederqualität oder Farbe vor Ort zu klären. Daneben bewältigt Leonie Risch auch noch ihren Bachelor.
Das Studium in Design Management hat ihr wichtigen Input für die Selbstständigkeit gegeben. Die einzelnen Seminare ermöglichten es ihr, an ihrem Projekt zu arbeiten und entsprechendes Feedback zu bekommen. Das Gelernte wird ihr in Zukunft nützlich sein, denn noch verdient sie mit ihren Taschen kein Geld. Ihren ersten Businessplan wird sie deshalb nach dem Abschluss nochmals überarbeiten – daheim, in Liechtenstein – einem Land, das nicht gerade für Modedesign bekannt ist. Aber das, findet Leonie Risch, kann und soll sich ändern. www.leonierisch.com
Der Kunst eine Plattform geben
Eigene Bilder auszustellen oder zu verkaufen, ist eine Kunst für sich – gerade für den noch unbekannten Nachwuchs. Florian Rieder (29), Master-Student in Wirtschaftsinformatik, und Florian Paul König (28), Absolvent des Bachelor Kunst & Vermittlung, wollen das ändern. Mit ihrem 2017 gegründeten Unternehmen Network of Arts vermitteln sie Künstlerinnen und Künstlern Ausstellungsmöglichkeiten.
«Im Zentrum steht eine Webplattform, auf der sich Kunstschaffende mit ihren Werken registrieren. Das Spektrum reicht von grossformatigen, abstrakten Malereien bis zu kleinen Skulpturen », so Rieder. Unternehmen können diese dann für ihre Räumlichkeiten oder Events mieten. Die Künstler erhalten aber nicht nur ein Publikum, sondern verdienen mit ihrer Leihgabe auch Geld. «Unsere Kunden wissen den Wert eines Kunstwerks zu schätzen und möchten nicht nur möglichst günstig ihre Räume schmücken», sagt König.
Nicht nur in die Auswahl geeigneter Kunst und in die Beratung interessierter Unternehmen investieren beide viel Zeit und Energie, sondern vor allem in die Weiterentwicklung ihrer Website. Ständige Herausforderung sei dabei, den Wunsch nach Ästhetik mit einer optimalen Nutzerführung zusammenzubringen. «Neue Ideen haben wir täglich, die Programmierung hingegen ist sehr aufwendig.»
Wesentlich für ihr Vorwärtskommen sei, sich bei Start-up- Coaches inner- und ausserhalb der Hochschule Luzern Rat zu holen. Rieder: «Solche Gespräche nützen nicht nur bei konkreten Fragen wie etwa zu AGB oder zu Finanzierung. Sie helfen uns, unsere Arbeit zu reflektieren und zu entscheiden, wo wir hin wollen.» Dass die beiden auf gutem Weg sind, wurde ihnen auch ganz offiziell bestätigt: Die Stadt Luzern fördert Network of Arts im Rahmen der Ausschreibung für Kreativwirtschaft mit 20’000 Franken. Das ermöglicht den Jungunternehmern, ihre Plattform auszubauen und im kommenden Jahr eine erste feste IT-Stelle zu schaffen. www.networkofarts.com
IT-Start-up dank Weiterbildung
Etwa wie die Jungfrau zum Kind sei sie zu ihrem Unternehmen gekommen, sagt Esther Cahn. Vor vier Jahren absolvierte sie – damals noch bei einer Versicherung angestellt – den MAS in Digital Marketing and Communication Management an der Hochschule Luzern.
«Mit der Planung und Auswertung von Marketingkampagnen hatte ich schon vorher zu tun. Welche Möglichkeiten Big Data aber dafür bietet, das wurde mir erst durch die Weiterbildung an der Hochschule Luzern bewusst», so Cahn. Dank der grossen Menge an Daten, die heute oftmals in Echtzeit zur Verfügung stünden, lasse sich kalkulieren, wie sich beispielsweise die Platzierung eines Spots in einem bestimmten TV-Umfeld auf den Verkauf eines Produktes auswirkt.
«Die richtigen Daten zu finden, deren Zusammenspiel zu erkennen und die nötigen Schlüsse daraus zu ziehen, ist aber für viele Firmen herausfordernd. Damit war meine Businessidee geboren.» Gemeinsam mit Personen, die sie während ihrer Masterarbeit kennengelernt hatte, gründete Esther Cahn die Signifikant Solutions AG und holte sich so auch Data-Science- Kompetenz ins Team.
Mit ihrem Unternehmen entwickelt sie nun im Rahmen eines Forschungsprojekts mit der Hochschule Luzern einen Software-Prototypen für Big-Data-Analysen. Dass Esther Cahn ihre damalige Kaderposition aufgegeben hat, hat sie nicht bereut, «trotz der Lawine an Arbeit». Hilfreich sei ein gutes Networking, betont die 42-jährige Unternehmerin, die zu den wenigen Frauen in der Gründerszene gehört.
Esther Cahns Netzwerk reicht von ihren Dozierenden an der Hochschule Luzern über das Hochschulprogramm Smart-up, den Technopark und die Wirtschaftsförderung in Luzern bis zu Innosuisse, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung. «Es ist unglaublich, wie viel Unterstützung man erhält, wenn man auf die Leute zugeht», sagt Cahn. Auch «Mutmacher»- Gespräche» mit anderen Jungunternehmern helfen: «Man merkt dann, dass es völlig normal ist, nachts wach zu liegen und Gedanken zu wälzen. Das geht allen gleich», so Cahn. Schlaflose Nächte gibt es jetzt vermutlich seltener: Esther Cahn gewann nicht nur den Preis «Best of ICT Business Plan» am Zentralschweizer Start-up-Tag 2017, sondern bereits namhafte Pilot-Kunden wie Swisscom, Migros, Storck und Hug. www.signifikant.biz
Jungunternehmer im Höhenflug
Eigentlich wollte sich Andreas Tietze nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums nur eine Auszeit gönnen. «Doch kaum in Kolumbien angekommen, lernte ich jemanden kennen, der ein Solarenergie-Business starten wollte», sagt er. Die Idee: Firmen davon überzeugen, Photovoltaikanlagen auf ihren Gebäuden einzurichten.
Tietze und sein Geschäftskollege erstellten dafür mittels einer Drohne 3D-Modelle der Gebäude und zeigten anhand dessen die baulichen und finanziellen Dimensionen für die Installation einer Anlage auf. Ihre Dienstleistung war gratis, Geld verdienten sie auf Kommissionsbasis über die Solaranlagenhersteller. «Das funktionierte anfangs sehr gut, doch bald brauchte es uns als Mittler nicht mehr.» Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Drohnen faszinieren den 30-Jährigen weiterhin, ebenso das Thema Selbstständigkeit.
Seit 2017 bietet er zusammen mit seinem Bruder, einem Studienkollegen und zwei weiteren Freunden mit dem Start-up Biber Solutions Drohnen-Dienstleistungen an. Tietze erklärt: «Die Vermessung aus der Luft lohnt sich vor allem für Firmen aus der Baubranche und der Landwirtschaft.» Dass die Jungunternehmer aus verschiedenen Fachbereichen – Wirtschaft, IT, Luftfahrt – kommen, sei ein Vorteil. Dass alle an anderen Orten leben und noch dazu die meisten ihrer Kunden in Kolumbien sind, erfordere viel Flexibilität, so Tietze. Auf Investoren ist Biber Solution bisher nicht angewiesen. «Wir stehen zusätzlich bei anderen Firmen in Lohn und Brot.»
Überhaupt rät Tietze dazu, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern ein zweites Standbein zu haben. «Es reduziert den Druck und ermöglicht, freier zu entscheiden. Und das gibt einem letztendlich wieder neue Energie». Energie, die Biber Solutions nutzen will, um zukünftig auch in anderen Ländern abzuheben. www.bibersolutions.com
Autorinnen: Senta van de Weetering, Simone Busch
Fotos: zVg, Andreas Schwaiger, Beat Brechbühl
Vom Studium in die Selbstständigkeit
Die Hochschule Luzern fördert das Unternehmertum auf verschiedene Arten: So wird den meisten Studierenden bereits im Studium unternehmerisches Know-how vermittelt – sei es durch Pflichtmodule, in denen Businesspläne erstellt werden, oder durch fakultative Angebote, in denen man die eigene Geschäftsidee weiterentwickeln kann. Zudem lancierte die Hochschule Luzern vor fünf Jahren das Programm «Smartup – Ideen erfolgreich umsetzen». Das Angebot umfasst unter anderem Beratungen zu juristischen und finanziellen Fragen oder zu Marketing und Vertrieb. «Wir vermitteln Kontakte zu Expertinnen und Investoren und organisieren Events, die dem Erfahrungsaustausch und dem Networking mit anderen Gründern und Gründerinnen dienen», sagt Hochschuldozent Patrick Link, der das Programm zusammen mit René Zeier leitet. Bis heute wurden im Rahmen von «Smart-up» über 400 Studierende, Absolventinnen und Absolventen und vereinzelt auch Mitarbeitende der Hochschule Luzern beraten sowie fast 140 Unternehmen bei der Gründung unterstützt. www.hslu.ch/smart-up
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Das Magazin
Lucerne University of Applied Sciences and Arts, Engineering and Architecture, Dean's Office, Institute of Mechanical Engineering and Energy Technology IME, Institute of Innovation and Technology Management IIT, Design, Film and Art, Computer Science and Information Technology, Business
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Wirtschaft, Design, Elektroingenieur
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