Ohne Strom geht im Alltag nichts: Der Kaffee aus der Maschine, das E-Mail an den Kunden, die Krimiserie im Fernsehen. Aber nur wenige von uns wissen, woher der Strom kommt, den wir täglich nutzen: Aus nachhaltigen Quellen wie Wasser, Sonne und Wind oder doch aus Atom- oder Kohlekraftwerken? Trotz ihrer positiven Einstellung zu nachhaltiger Energie und der Bereitschaft, etwas mehr für nachhaltigen Strom zu zahlen, hat erst etwa ein Drittel aller Schweizer Haushalte bewusst auf Strom aus erneuerbarer Energie umgestellt.
«Es fehlt einfach die Lust, sich mit Informationen zu nachhaltigen Stromprodukten auseinanderzusetzen», sagt Sascha Demarmels vom Institut für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern. «Das Thema Ökostrom ist nicht gerade elektrisierend.»
Es fehlt einfach die Lust, sich mit Informationen zu nachhaltigen Stromprodukten auseinanderzusetzen.
Das IKM hat in einem von Innosuisse geförderten Projekt deshalb untersucht, wie sich mit der richtigen Marketingstrategie ein komplexes Thema wie Stromprodukte besser vermitteln lässt. Ziel ist es, dass sich das Wissen in der Bevölkerung zum Thema erhöht, Konsumentinnen und Konsumenten den Mehrwert von nachhaltiger Energie verstehen und eine bewusste Kaufentscheidung treffen. Als Folge der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 hat sich die Schweiz mit der «Energiestrategie 2050» verpflichtet, die Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger umzustellen und keine Atomkraftwerke mehr zu bauen. Damit die Energiewende gelingt, braucht es neben gesetzlichen Grundlagen auch eine informierte Bevölkerung.
«Werkzeugkasten» für gutes Marketing
Gemeinsam mit Wirtschaftspartnern aus dem Strom- und Energiebereich sowie einer Agentur entwickelte das IKM-Team der Hochschule Luzern verschiedene Marketingmassnahmen und untersuchte deren Wirkung bei rund 500 Personen. Getestet wurden Apps, Videos, Spiele, Plakate und Flyer (siehe Flyer unten).
Das interdisziplinäre Forschungsteam des IKM ist seit bald zehn Jahren auf die Verständlichkeit und Wirksamkeit von Kommunikation spezialisiert und kombiniert Ansätze der Sprachwissenschaft mit jenen der Psychologie und der Wirtschaftswissenschaften. Ihre Erfahrungen, die spezifischen Wirkungstests sowie die Experteninterviews fügten sie schliesslich zu einer Art Werkzeugkasten zusammen. Dieser dient Unternehmen dazu, eine Marketingstrategie zu entwickeln und sich für ganz konkrete Massnahmen zu entscheiden.
Vorwissen berücksichtigen
Eine wichtige Erkenntnis des Projekts «Verständliche Stromvermarktung» ist: Aufmerksamkeit erzeugt nur, wer an bestehendes Vorwissen anschliessen kann. So wurden etwa mehrere Varianten von Flyern zum Thema Ökostrom getestet. Einer davon forderte zur Entsorgung und Verbrennung von alten Skiern auf. Mit schlechten Ergebnissen: Den Testpersonen fehlte schlicht das Vorwissen, dass sich die anfallende Wärme bei der Verbrennung von Kehricht und Sperrgut für die Stromproduktion nutzen lässt. «Ein altes Paar Ski zu verbrennen, kam ihnen sogar ausgesprochen unökologisch vor», sagt Sascha Demarmels.
Ausgesprochen hilfreich sind Visualisierungen und konkrete Beispiele. Dabei werden komplexe Zusammenhänge mit Skizzen oder Fotos illustriert und abstrakte Mengen grafisch dargestellt: «Mit der Energie aus einem Abfallsack kannst du vier Jahre lang dein Smartphone laden.»
Mit der Energie aus einem Abfallsack kannst du vier Jahre lang dein Smartphone laden.
Den richtigen Zeitpunkt erwischen
Positiv wirkt sich auch eine persönliche Ansprache der Zielgruppe aus. Es gibt Situationen, in denen Menschen besser empfänglich sind für komplexe Themen. Bei Stromprodukten, die man grundsätzlich jederzeit wechseln kann, lassen sich solche «optimalen» Zeitpunkte künstlich schaffen. Bei einem Umzug etwa interessieren Informationen über Stromanbieter eher, weil gleichzeitig auch weitere Entscheidungen – wie die Wahl des Telefonanbieters – getroffen werden müssen. «Als Unternehmen dann gezielt über Strom zu informieren, ist sehr wirkungsvoll», erklärt Demarmels.
Inhalte in Form einer Geschichte (Storytelling) oder gepaart mit Elementen aus Spielen (Gamification) motivieren Nutzende, sich länger und intensiver mit einer Materie auseinanderzusetzen. Aber Achtung: «Stories und Games suggerieren Unterhaltung. Wo Unterhaltung versprochen wird, muss Unterhaltung drin sein», so Demarmels. Es gilt, Informationen zurückzunehmen und subtil als Häppchen zu vermitteln.
Dass sich auch mit dem Thema Ökostrom bei Konsumentinnen und Konsumenten durchaus Spannung erzeugen lässt, hat die Untersuchung des Instituts für Kommunikation und Marketing gezeigt. Wie sich das auf ihre Entscheidung auswirkt, wird sich weisen.
Weitere Informationen: blog.hslu.ch/verstaendlichkeit
Autorin: Mirjam Aregger
Fotos: Istockphoto, ZAV, Polarstern, Hochschule Luzern