Auf Anfrage der Hochschule Luzern hat sich St. Gallen entschlossen, Modellstadt für ShareCity zu werden. Warum?
Wir wollten lernen, was eine Stadt im Bereich Sharing unternehmen kann: Soll sie sich aktiv engagieren, Bestehendes fördern, Plattformen anbieten oder Finanzen einfliessen lassen? Das Dach über allem ist unser Energiekonzept. St. Gallen will weg von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen, hin zu einer 2000-Watt-Gesellschaft. Das Schonen von Ressourcen passt auch zum Umweltkonzept, das wir parallel erarbeiten. Zudem ist es ein Ziel des Stadtrats, eine smarte Stadt und ein Ort mit hoher Lebensqualität zu werden, auch daran lässt sich die Idee anbinden.
Wie ist die Ausgangslage für Sharing in St. Gallen?
Ich war selbst erstaunt, wie viele kleine und grössere Initiativen es schon gibt. Das sind meist ehrenamtlich engagierte Leute. Dazu kommt der Verein Ostsinn als einer der Pioniere beim Thema Co- Working-Space in der Schweiz.
Welchen Prozess hat das Projekt ShareCity angestossen?
Es hat dazu geführt, dass man voneinander weiss und erkennt, wie breit das Angebot in St. Gallen bereits ist. Auch die Organisationen wissen im Umkehrschluss, dass die Stadt das Thema Sharing auf der Agenda hat und das Engagement der privaten Initiativen unterstützen möchte.
Wie wollen Sie als Stadt den Sharing- Projekten helfen?
Für mich ist es wichtig zu spüren, was sie brauchen, um ihr Angebot oder ihre Idee zu etablieren, um fliegen zu können. Denn oft sind es kleinere Initiativen, die den Atem verlieren, weil sie zu wenig Ressourcen haben, personell oder finanziell. Da können wir von Seiten der Stadt unterstützen, sei es mit Kommunikation, mit einer Plattform oder mit Finanzen. Wir wollen nichts von oben vorgeben, sondern sehen, was sich ergibt und wo ein Engagement der Stadt sinnvoll ist.
Wo haben Sie das in der Stadtverwaltung angesiedelt? Wird es ein Amt für Sharing geben?
Das denke ich eher nicht. Es gibt einige Stellen, die einen Bezug zum Thema haben, Standortförderung oder Gesellschaftsfragen zum Beispiel. Weil der Aufhänger das Energie- und das Umweltkonzept sind, nehmen wir als Amt für Umwelt und Energie eine Koordinationsfunktion wahr.
Gibt es auch Sharing-Projekte innerhalb der Stadtverwaltung?
Wir haben als «Firma Stadtverwaltung» sicherlich noch Potenzial. Wir teilen Fahrzeuge und haben einen Materialpool, über den wir zum Beispiel Ausstellungsmaterialien gemeinsam nutzen. Aber es ginge noch mehr.
Sharing kann auch negative Folgen haben – Stichwort: oBike-Chaos oder AirBnB, das Mietwohnungen in Ferienwohnungen umwandelt. Spüren Sie die Probleme in St. Gallen?
oBike ist noch nicht in St. Gallen. Der Veloverleih wird auf politischer Ebene diskutiert, man informiert sich bei Städten, die schon Erfahrung haben und verschiedene Strategien verfolgen. Viele Probleme rechtlicher Art sind noch nicht geklärt. AirBnB ist natürlich schon da, aber bisher ohne grosse Probleme.
Stimmt der Eindruck, dass die Städte einen Spagat wagen müssen zwischen dem Sharing-Ziel, Ressourcen zu sparen und weniger herzustellen, und dem Wunsch, die Wirtschaft nicht zu verprellen?
Wir haben von Anfang an klargemacht, dass wir das lokale Gewerbe nicht konkurrenzieren wollen. Der Ansatz wäre, dass man qualitativ gute Produkte kauft, diese aber teilt. Eine Verlagerung von billigen Importprodukten hin zu teurerer, aber qualitativ höherwertiger Ware aus dem Inland ist auch im Sinne des Gewerbes und der Unternehmen. Daher haben wir auch die Gewerbeverbände und die Vereinigung ProCity eingeladen. Bei ihnen habe ich viel Interesse gespürt. Aber es ist sicherlich ein Thema, das man als Stadt sehr genau im Fokus haben muss.
Interview: Valeria Heintges