Wohnheime und Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die vom Kanton finanzielle Unterstützung erhalten, müssen ein professionelles Qualitätsmanagement nachweisen. Dazu gehören auch Erhebungen zur Bewohner- und Mitarbeiterzufriedenheit. Die Luzerner Stiftung Brändi befragt ihre 1’800 Mitarbeitenden schon seit über zehn Jahren. «Wir haben immer wunderbare Zahlen zur Zufriedenheit erhalten, aber wir konnten zu wenig daraus lernen», erklärt Francisco Llopart, Leiter Fachstelle Qualität.
René Stalder, der am Departement Soziale Arbeit das Kompetenzzentrum Behinderung und Lebensqualität leitet, hat deshalb mit seinem Team ein Befragungsinstrument für Menschen mit Behinderung entwickelt. Dieses bildet deren Bedürfnisse und Entwicklungsmöglichkeiten differenzierter ab.
22 Themen werden abgefragt
In der ersten Phase verglichen Stalder und sein Team bestehende Fragebögen und theoretische Modelle. Um herauszufinden, welche Themen für Menschen mit Behinderung im Vordergrund stehen, arbeiteten sie eng mit Fachpersonen und mit Betroffenen aus den drei Institutionen Stiftung Brändi, Triva Luzern und Zuwebe Baar zusammen. So entstand ein breit abgestützter Kriterienkatalog mit 22 Themen. Dazu gehören unter anderem physische und psychische Anforderungen, Lohn, Verhalten von Vorgesetzten oder Arbeitszeit.
Anhand der 22 Themen wurde ein neuer Fragebogen erarbeitet. Anders als bei herkömmlichen Befragungsinstrumenten werden dabei zu jedem Thema zwei Fragen gestellt: a) Wie zufrieden sind Sie mit diesem Punkt bei Ihrer Arbeit? und b) Wie wichtig ist Ihnen dieser Punkt? «Es mag im Rückblick simpel klingen», sagt Francisco Llopart. «Aber erst jetzt sehen wir auf einen Blick, wo’s brennt.» Dort, wo eine starke Gewichtung und eine schlechte Bewertung zusammenkommen, besteht Handlungsbedarf.
Acht Institutionen testeten den Fragebogen im Frühling 2017 mit 750 Personen. Er richtet sich an Menschen mit leichter bis mittlerer Beeinträchtigung, und es gibt ihn in zwei Ausführungen: für Personen, die ihn selbständig ausfüllen können, und für Betreuerinnen und Betreuer, welche Mitarbeitende von Werkstätten interviewen. Beide Varianten wurden vor der Pilotumfrage durch ein auf «leichte Sprache » spezialisiertes Büro bearbeitet.
Überraschende Befunde
Fazit: Die meisten beteiligten Institutionen wollen weiter mit dem neuen Instrument arbeiten und noch an einigen Fragen feilen, die trotz «leichter Sprache» schwer verständlich waren. Zudem soll eine Version für Menschen entwickelt werden, die schwer beeinträchtigt sind und sich kaum artikulieren können. Auch ein Online-Tool für die automatisierte Erfassung und Auswertung der Fragebögen ist in Planung.
Auf die Frage, wie zufrieden die bisher Befragten mit ihren Jobs denn seien, meint Stalder: «Sehr!» Aber es hätten sich auch überraschende Befunde ergeben: «Jobrotation », also «viel Abwechslung», sei etwa viel weniger gefragt als erwartet. Und Stalder selbst? «Ich bin zufrieden, ich freue mich, dass das neue Instrument ‹verhebet›!»
Autorin: Mirella Wepf
Foto: Stiftung Brändi