Die Digitalisierung krempelt unsere Arbeitswelt um. Was diese abstrakte Aussage konkret bedeutet, zeigt das Beispiel des Kanalarbeiters: Vor wenigen Jahren stieg dieser noch selbst in die Kanalisation, um sie nach Schäden abzusuchen. Heute heisst der Kanalarbeiter Entwässerungstechnologe. Und er begibt sich nicht mehr selbst ins Dunkel, sondern kundschaftet die Lage mit Hilfe eines Roboters aus.
Berufsbilder und deren Lehrpläne werden jedoch jeweils langfristig festgelegt. Daher entsprechen sie nicht immer den aktuellen oder gar zukünftigen Bedürfnissen der Wirtschaft. «Als die Lehrpläne erstellt wurden, war die Digitalisierung oft kein Thema», sagt Beat Wenger, Rektor des Gewerblich-industriellen Bildungszentrums Zug GIBZ. Nun treibe eine Frage sein Lehrerkollegium besonders um: «Was heisst Digitalisierung für mich und für die Berufe, die ich unterrichte?»
290 Berufsbilder erfasst
Mit der Online- Plattform berufsbildungdigital.ch hat das Team um Markus Wyss und Dario Gugolz vom Departement Informatik der Hochschule Luzern jetzt einen «Ort» geschaffen, wo Berufsschulpersonen mögliche Antworten finden. Bietet beispielsweise eine Berufsschule Lehrgänge für angehende Tiefbauzeichnerinnen oder Gärtner an, kann eine Rektorin oder ein Lehrer hier nachlesen, welche digitalen Kompetenzen in diesen Berufen erwartet werden. «Eine Online-Plattform hat den Vorteil, dass wir sie rasch auf Anregungen aus der Praxis hin erweitern können», erläutert Projektleiter Markus Wyss. Das Projekt entstand im Auftrag des Vereins Metropolitankonferenz Zürich, eines Zusammenschlusses von acht Kantonen, inklusive Luzern und Zug.
Ganz unterschiedliche Berufe benötigen die gleichen digitalen Kompetenzen.
Wyss und Gugolz identifizierten dafür digitale Fähigkeiten und ordneten diese 290 Berufsbildern zu. Für die aktuell insgesamt 23 digitalen Kompetenzen orientierten sich die Forscher an Empfehlungen der Europäischen Union. Auf der Basis von Gemeinsamkeiten wurden die Berufsbilder zu zehn sogenannten Clustern gebündelt (siehe Kasten). Dario Gugolz: «Das kann bedeuten, dass auch unterschiedliche Berufe wie Gärtner oder Pflegefachkraft im gleichen Cluster landen, weil Personen, die sie ausüben, über die gleichen digitalen Kompetenzen verfügen sollten.» Eines haben alle Berufsbilder gemeinsam: Ohne zumindest rudimentäre digitale Fähigkeiten geht es nirgends mehr.
Plattform soll ausgebaut werden
Aus der Berufswelt erntet der Ansatz der Hochschule Luzern Zustimmung. Als er ihn seiner Schulleitung vorstellte, habe diese rasch dessen Potenzial erkannt, sagt etwa GIBZ-Rektor Beat Wenger: «Betrachtet man die Digitalisierung als Meer, dann ist die Plattform ein Kompass, der es uns erlaubt, darin zu navigieren.» Berufsbildungdigital. ch ermögliche Lehrpersonen nicht nur herauszufinden, welche digitalen Kompetenzen bestimmte Berufe erfordern, sondern auch zu eruieren, welche Ressourcen eine Schule bereitstellen muss, um diese zu vermitteln.
In einem nächsten Schritt wird die Online-Plattform nun ausgebaut: Auf Anregung von Branchenverbänden wie Swissmechanic sollen auf berufsbildungdigital. ch demnächst auch die rund 400 Berufsbilder der höheren Berufsbildung hinzukommen.
Autor: Martin Zimmermann
Fotos: Iris Krebs, Geigenbauschule Brienz, Reto Klink
Vom Basiswissen bis hin zu fortgeschrittenen Fähigkeiten
Der Begriff «digitale Kompetenzen» umfasst eine breite Palette an Fähigkeiten: Sie reichen vom Bedienen eines Smartphones über Datenschutz-Kenntnisse bis hin zu Anwendungen wie Robotik oder «Internet of Things». Basiskompetenzen, die überall benötigt werden, sind im Cluster 0 aufgeführt. Je nach Beruf braucht es zusätzliche digitale Kompetenzen, die in weiteren Clustern gebündelt sind. Cluster 10 etwa erfordert mittlere bis fortgeschrittene Fähigkeiten in den meisten Kompetenzen. Drei Berufe zeigen beispielhaft, welche Kenntnisse unter anderem vermittelt werden müssen: www.berufsbildungdigital.ch