«Hallo, Mensch!» Pepper piepst und blickt Jana Koehler erwartungsvoll an. «Hallo Pepper, komm mit mir», ruft Koehler. Pepper reicht der Dozentin für künstliche Intelligenz (KI) an der Hochschule Luzern eine feingliedrige Hand und rollt ihr artig hinterher. Dann bremst er plötzlich, bewegt sich keinen Millimeter mehr – der Vorführeffekt hat zugeschlagen.
Pepper ist natürlich kein Mensch, er ist ein humanoider Roboter. Das Departement Informatik hat zwei dieser 120 Zentimeter grossen Maschinen erworben. Das vom japanischen Telekom-Konzern Softbank hergestellte Modell kann rund 30 Fragen beantworten, menschliche Mimik und Gestik analysieren sowie einfache Bewegungen ausführen, wenn ihn nicht gerade «Bugs» – Programm-Fehler – ausbremsen. Im Gegensatz zu sogenannten Chatbots ist Pepper standardmässig nicht darauf ausgelegt, eine Konversation zu führen. Aber man könne ihm weitere Fragen und Antworten beibringen, so Jana Koehler.
Kein Spielzeug
Die stets freundlich dreinblickenden Roboter laden zum Experimentieren ein. Doch die Pepper sind keine Spielzeuge für die Informatik- Dozierenden und -Studierenden. Die Wahrscheinlichkeit für ihre Studierenden, im Beruf auf Pepper zu treffen, sei gross, sagt Jana Koehler. Er ist das derzeit am weitesten verbreitete humanoide Modell. Daher sei es sinnvoll, die Programmierung einer künstlichen Intelligenz damit zu trainieren. Die KI-Dozentin prognostiziert, dass wir in den nächsten Jahren Roboter nicht nur als Schwerarbeiter in Fabrikhallen, sondern zunehmend auch in unserem Alltag antreffen werden: «Humanoide Roboter könnten unter anderem als Assistenten in Banken und Verwaltungen eingesetzt werden oder als Aushilfen in der Pflege.»
Eine neue Berufsgattung
Auch Peppers Anwendungssoftware kann für viele Aufgaben modifiziert werden. So sind Studierende an einem Projekt beteiligt, bei dem die beiden Exemplare der Hochschule Luzern als Touristenauskunft auf der Rigi eingesetzt wurden (siehe Kasten).
«Die Informationssuche und -Ausgabe funktioniert bei einem sprechenden Roboter ganz anders als bei textbasierten Programmen », sagt Wirtschaftsinformatik- Absolvent Patrick Duarte Pereira. Er hat die Wissensbasis der Pepper – so etwas wie ihr Gehirn – für ihren Rigi-Einsatz mit Informationen über Wanderwege, Unterkünfte oder die Abfahrtszeiten der Zahnradbahn gefüttert. Duarte Pereira gehört zur ersten Generation der sogenannten Wissensingenieure; einer Berufsgattung, die es nur dank fortgeschrittenen KIs gibt. Wissensingenieure bereiten Informationen auf, die ein KI-System dann verwendet, um Fragen der Nutzer zu beantworten: «Ich musste den Robotern beibringen, die Fülle an Informationen in für Touristen nützliche Happen wiederzugeben.»
Einfühlsame Programmierer
Der Aufstieg der humanoiden Roboter hat praktische Auswirkungen auf die Interaktion Mensch-Maschine. Weil an die Stelle von Maus und Tastatur die Sprache tritt, führt das zu neuen Anforderungen an Informatikerinnen und Informatiker. Sie müssen die Roboter-KI so programmieren, dass Menschen, die mit unterschiedlichen Stimmen und Akzenten teils unterschiedliche Fragen stellen, trotzdem die richtige Information erhalten.
Bei ihren menschlichen «Gesprächspartnern » können Roboter aber auch intensivere Reaktionen auslösen als etwa Chatbot-Textzeilen am Bildschirm. «Der Grat zwischen dem, was wir als angenehme Interaktion mit der Maschine empfinden, und einer unangenehmen, ist schmal. Informatik kann hier also Folgen für die menschliche Befindlichkeit haben, die wir mit den Studierenden diskutieren müssen», betont Jana Koehler. «Sie sollten nicht nur Programmierer, sondern ein Stück weit auch Psychologen sein, die sich in die Endnutzer einfühlen können.»
Dabei ist Pepper erst der Anfang: Die Sex-Industrie beispielsweise arbeitet an einer neuen Generation vermeintlich lebensechter Roboter, die sprechen können. Jana Koehler zeigt auf ihrem Handy eine Dokumentation über solche «Sex-Bots», in der Ingenieure an künstlichen Frauenkörpern schrauben und Plastikschädeln Gesichter aus Kunsthaut überziehen. «Man fragt sich, wie sich solche Geräte auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirken werden», sagt sie. Bereits jetzt kursieren in den Medien Geschichten über Männer, die sich in ihre künstliche Begleiterin verliebt hätten.
Die KI-Spezialistin plädiert deshalb dafür, bei aller Begeisterung für das Machbare die Grenzen zwischen Roboter und Mensch nicht zu verwischen. «Wir dürfen Roboter nicht zu sehr vermenschlichen: Die Maschine sollte als Maschine erkennbar bleiben.»
Autor: Martin Zimmermann
Fotos: Priska Ketterer