Angefangen hat alles an einer Party: Im Juli 2009 eröffnete Cisco Systems – ein weltweit tätiger Anbieter von Kommunikations- und Netzwerklösungen – sein neues Büro in Wallisellen. Während der Planung für das Einweihungsfest kam die Idee auf, das Team vom Standort Rolle in der Westschweiz mit Hilfe einer High-End-Videoverbindung direkt zu den Feierlichkeiten zuzuschalten. Die temporär aufgebaute Videowand in der Cafeteria wurde zu einem vollen Erfolg. «Für uns war klar, dass wir diese Form der internen Kommunikation weiterhin pflegen und allenfalls sogar zu einem neuen Angebot unserer Firma ausbauen wollten», sagt Frank Horn, Customer Success Manager bei Cisco.
In grossen Unternehmen seien Videokonferenzräume längst als Arbeitsinstrument etabliert; im Bereich der informellen Kommunikation gebe es bisher aber noch kaum markttaugliche Lösungen. «Wir glauben fest daran, dass informelle Kommunikation wesentlich zu Innovationen beiträgt.» So zeigen Untersuchungen etwa, dass sich bis zu 80 Prozent der zufällig, spontan und ad hoc zustande kommenden Kommunikationsepisoden um die Arbeit drehen. «In einer globalisierten Gesellschaft muss man spontane Begegnungen von Menschen auf neue Weise fördern», sagt Horn. Kurzum: Was als Partygag begann, mündete schliesslich in das dreijährige Projekt «Entwicklung und Einführung von Orten für virtuell-informelle Kommunikation» (OVIK), an dem auch die Hochschule Luzern beteiligt war (siehe Kasten).
Virtuelle Fenster in andere Filialen
«Unser Beitrag lag vor allem darin, räumliche Anforderungen für OVIKs zu definieren», erklärt Thomas Heim, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kompetenzzentrums Typologie & Planung in Architektur (CCTP). In einer ersten Phase entwickelte das Forschungsteam Ideen, wie räumlich getrennte Standorte am besten live miteinander verbunden werden könnten. Entstanden sind verschiedene virtuelle Fenster, welche die örtlichen Grenzen verschwimmen lassen – etwa von Kopierraum zu Kopierraum, von Cafeteria zu Cafeteria oder von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. «Man muss sich bei der Planung immer die Frage stellen, was ein Arbeitgeber, der auf virtuell-informelle Kommunikation setzt, damit erreichen will» sagt Heim. Wenn zwei örtlich getrennte Teams gemeinsam an Entwürfen arbeiten sollen, brauchen sie andere Kommunikationslösungen als wenn es nur darum geht, zufällige Begegnungen zu erleichtern.
Licht und Schatten
Zu den grössten Knackpunkten beim Erarbeiten der Lösungsvorschläge gehörte die Akustik: Wer via Bildschirm mit einem Kollegen plaudert, sollte andere Leute im Raum nicht stören. Umgekehrt dürfen deren Gespräche die Tonqualität der virtuellinformellen Kommunikation auch nicht beeinträchtigen.
Eine weitere Herausforderung war der Lichteinfall. «Wenn auf dem Bildschirm störende Spiegel- oder Lichtreflexe auftreten, sinkt die Bereitschaft, auf diesem Weg miteinander zu kommunizieren», sagt Heim. Nicht zuletzt ging es auch um die Frage, wie für die Nutzerinnen und Nutzer bei Bedarf genügend Privatsphäre geschaffen werden kann, denn virtuell verbundene Personen können nicht kurz gemeinsam den Raum verlassen oder etwas leiser sprechen, sobald ein vertrauliches Thema aufkommt. Basierend auf den ersten Entwürfen wurden schliesslich fünf Prototypen gebaut. Dazu gehören Kommunikationssäulen, die in Räumen und Korridoren zum Einsatz kommen können, eine Bildschirmkonstruktion namens «Fireplace», die sich für Sofaecken eignet, und ein Kubus, der an der Aussenwand über einen Bildschirm für erste Plaudereien verfügt und eine Nische hat, in die sich die Gesprächsteilnehmenden zurückziehen können, sobald sie mehr Privatsphäre wünschen.
Die Bilanz der Testphase bei Cisco und weiteren Projektpartnern ist durchmischt. «In Rolle hatten wir beispielsweise mit schwierigen räumlichen Voraussetzungen zu kämpfen. Die Büros bieten schlicht keinen idealen Platz, an dem man einen Ort für virtuelle Kommunikation installieren kann» sagt Horn.
Dennoch beurteilten die Mitarbeitenden von Cisco den Versuch in einer Umfrage als positiv und schätzen den potenziellen Nutzen von OVIKs als ausserordentlich hoch ein. «Eine verbesserte Version unseres Prototyps ist jedenfalls bereits in Planung», so Horn. Eines sei jedoch sicher: Ein pfannenfertiges Produkt sei auf dem Markt vorerst kaum zu erwarten. Thomas Heim teilt diese Einschätzung. Die Anforderungen, ein funktionierendes System für informelle Kommunikation einzurichten, seien höchst komplex und in Neubauten in der Regel einfacher umsetzbar als in bestehenden Gebäuden. «Wir haben im Rahmen dieses Projekts Richtlinien für den Bau von OVIKs erarbeitet. Diese sollten die Umsetzung solcher Vorhaben erleichtern – angefangen bei Checklisten für Vorabklärungen bis hin zur Implementierung.»
Autorin: Mirella Wepf
Forschungspartner: vom Möbelhersteller bis zur Post
Das Projekt «Entwicklung und Einführung von Orten für virtuell-informelle Kommunikation» wurde von verschiedenen Partnern getragen: Von Cisco, einem Anbieter von Kommunikations- und Netzwerklösungen, vom Möbelhersteller Vitra, von der Schweizerischen Post, der IT-Firma Trivadis und von SKAN, einem Spezialisten für Reinraumtechnik. Als Wissenschaftspartner fungierten die Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, die Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW und das Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern. Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes hat die Forschungsarbeiten gefördert. Das Projekt wird am 17. Februar 2017 auf dem Frühjahrskongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft in Brugg-Windisch präsentiert. Infos: www.gfa2017.de