Das Trinkwasser in der Schweiz ist von ausgezeichneter Qualität. Doch auch in Wasser erster Güte leben bis zu 10’000 Bakterienarten. Die Bakterien siedeln sich gemeinsam mit Viren, Pilzen und Protozoen in Trinkwasserleitungen an und bilden einen Biofilm. Ein solcher Belag ist ganz normal und für den Menschen ungefährlich, wenn sich die Bakterienzusammensetzung in einem gesunden Gleichgewicht befindet. In der Schweiz haben die Wasserversorger die Herstellung dieser biologischen Stabilität sehr gut im Griff. «Problematisch wird es da, wo das Wasser das Verteilnetz der Gemeinde verlässt und in die Häuser gespeist wird», sagt Stefan Kötzsch, der für das Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern und das Wasserforschungsinstitut Eawag das KTI-Forschungsprojekt «Materialien in Kontakt mit Trinkwasser» leitet. Laut Gesetz sind die Hausbesitzer für die Qualität des Wassers verantwortlich, aber Kontrollen gibt es häufig erst dann, wenn die Trinkwasserqualität beanstandet wird. «Das Gemeine jedoch ist, dass man viele mikrobiologische Probleme weder sieht, schmeckt noch riecht», sagt Kötzsch. Gemeinsam mit seinen Projektpartnern sucht er nach Lösungen, um Sicherheitslücken zu beheben.
Neubauten stehen besonders im Fokus
Im Rahmen dieses KTI-Projekts verfolgte das Team mehrere Ziele. Unter anderem suchte man nach geeigneten Präventivmassnahmen, um zu vermeiden, dass das Leitungssystem von Neubauten schon in der Bauphase kontaminiert wird. Zwei Beispiele: Durch mangelnde Hygiene bei der Erstbefüllung können mikrobiologische Probleme entstehen, deren Beseitigung viel Zeit und Geld beansprucht. Heikel werde es auch dann, sagt Kötzsch, wenn das Wasser lange in den Leitungen stehen bleibt, bevor das Haus bezogen wird. In einer Versuchsanlage konnte er aufzeigen, dass es der Wasserqualität zuträglich ist, Hygienefilter für die Erstbefüllung und Desinfektionsspülungen zu nutzen und die Stagnationszeiten zu reduzieren.Lange Stagnationszeiten können auch in Häusern, die längst in Betrieb sind, zu Problemen führen. Deshalb hat Kötzsch auch Dauermassnahmen getestet: «Insbesondere für Hotels, die ihre Zimmer nicht permanent belegt haben, könnten automatisierte Spülsysteme in Zukunft interessant werden.»
Präventive Massnahmen ausbauen
Auf die Frage, ob man denn in der eigenen Wohnung immer ein paar Minuten das Wasser laufen lassen soll, bevor man es trinkt, meint der Wissenschaftler, dies sei in der Regel nur nach längeren Ferien nötig oder wenn man einen Hahn betätige, der selten in Betrieb sei. Ansonsten genüge es, zu warten, bis das Wasser kalt sei, der Geschmack sei dann frischer. «In den letzten 50 Jahren haben sich die Entnahmestellen in Häusern vervielfacht», erklärt Kötzsch. «Das führt dazu, dass die Länge der Leitungen in Gebäuden heute mehr als 80 Prozent der Länge des gesamten Versorgungssystems ausmacht.» Ein Grund mehr für ihn, darauf hinzuweisen, dass man die präventiven Massnahmen innerhalb von Häusern ausbauen sollte. «Wir wissen aktuell viel zu wenig über die mikrobiologische Situation in den Verteilsystemen von Gebäuden.»
Das KTI-Projekt wurde auch mit der Absicht lanciert, die heute gängigen Material- und Produktetests für Kunststoffe, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen, zu verbessern. Der Grund: Die Materialzusammensetzung von Leitungen, Dichtungen und Armaturen beeinflusst die mikrobiologische Qualität des Wassers. Ein Negativbeispiel sind die Duschschläuche. «Während jeder Zentimeter Leitung und jede Dichtung geprüft und zertifiziert wird – oder dies zumindest sein sollte –, hängt am Ende vielfach ein Schlauch aus billigstem Kunststoff.» Damit werde auf dem sprichwörtlich letzten Meter die Wasserqualität zunichtegemacht. «Unser Ziel ist es, europaweit die Zertifizierung von Materialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen, zu erleichtern», erklärt Kötzsch. Im Rahmen dieses KTI-Projekts hat er nachgewiesen, dass der an der Eawag entwickelte BioMig-Test ein taugliches Instrument hierfür sein könnte. Dieser kombiniere die positiven Eigenschaften von drei bisher gängigen Testmethoden und liefere viel schneller Resultate. Um die Qualität von BioMig zu prüfen, hat er in Zusammenarbeit mit der Wasserversorgung Zürich, den Industriellen Werken Basel und der DVGW Forschungsstelle TU Hamburg mehr als 100 verschiedene Produkte analysiert.
Die Wasserwirtschaft reagiert
Die Forschungsresultate von Kötzsch wurden von Fachleuten – insbesondere auch vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs (SVGW) – mit grossem Interesse aufgenommen. Der SVGW, der ebenfalls am Forschungsprojekt beteiligt war, wird die Erkenntnisse an die Praxis vermitteln. Dies mit dem Ziel, Architekten, Planer und Installateure zu sensibilisieren und deren Zusammenarbeit zu fördern.