Was Kurzreisen und Ausflüge angeht, sind Schweizerinnen und Schweizer spontan: Knapp die Hälfte der ÖV-Reisenden bucht die Reise am Vortag oder am Tag der Reise selbst. Das Wetter spielt dabei eine wichtige Rolle: «Je später die Buchung, desto häufiger werden Wetterprognosen konsultiert», sagt Widar von Arx vom Institut für Tourismuswirtschaft ITW der Hochschule Luzern und Co-Autor des Arbeitsberichts «Der Einfluss des Wetters auf das Reiseverhalten». Die Forscher untersuchten im Auftrag der Kommission für Technologie und Innovation (KTI), der SBB, von PostAuto Schweiz und weiteren ÖV-Anbietern, wie sich Ausflügler in ihren Reiseentscheiden beeinflussen lassen. Dazu werteten sie Daten einer schweizweiten LINK-Befragung, einer Streckenerhebung der Montreux-Oberland-Bahn sowie der Rigi-Bahnen aus.
Jüngere planen wetterunabhängiger
Demzufolge spielt die Wetterprognose nicht nur bei sportlichen Aktivitäten im Freien eine grosse Rolle. Auch beim Shopping soll die Witterung freundlich sein: Jeder Dritte, der eine Einkaufstour plant, informiert sich über die meteorologischen Aussichten. Unterschiede gibt es in Bezug aufs Alter der Reisenden: Über 50-Jährige machen ihre Freizeitplanung stärker vom Wetter abhängig als jüngere Menschen. «Vermutlich, weil sie wettersensibler und zeitlich flexibler sind», sagt Co-Autor Philipp Wegelin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITW. Im Grossen und Ganzen lassen sich Freizeitreisende ihre Pläne vom Wetter jedoch nur bedingt durchkreuzen: Sie verschieben den Ausflug einfach. In diesem Zusammenhang spricht die Forschung von «Kompensationshypothese». Sie besagt, dass die meisten Menschen, die ein bestimmtes Ziel aufsuchen wollen, diese Reise so oder so realisieren – entweder an einem späteren Sonnentag oder sogar an einem Tag, an dem das Wetter weniger gut ist.
Auf die Gästezahlen insgesamt hat das Wetter überraschenderweise weniger Einfluss: Über die Jahre bleibt die Verteilung der Gästeanteile erstaunlich konstant, wie die Erhebung der Rigi-Bahnen vermuten lässt. Allerdings gibt es Ausnahmen: 2011 etwa konnte das schöne Wetter – mit einer deutlich höheren Anzahl Sonnentagen – sichtlich mehr Gäste auf die Rigi locken.
Anbieter müssen variabler planen
Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für die Tourismusbranche? «Es geht darum, mittel- und langfristig neue Gäste zu gewinnen», sagt Verkehrsexperte von Arx. Diese kämen oft wieder, wenn die Erfahrung gut gewesen sei. «Die Herausforderung besteht darin, als Anbieter in das relativ fixe Programm der Ausflügler hineinzukommen.» Ausserdem müssten Anbieter variabler planen und das Leistungsangebot an das Wetter anpassen, beispielsweise Kurzzüge einsetzen oder das gastronomische Angebot einschränken. Auf diese Weise könnten Kosten gespart werden.
Um das Gästeaufkommen über die Saison auszugleichen, schlagen die Experten der Hochschule Luzern vor, vor einer Schönwetterperiode kurzfristiges, intensives Marketing einzusetzen und die potenziellen Ausflügler über mobile Kanäle zu aktivieren. Versuche von Anbietern mit speziellen Schlechtwettertickets seien allerdings bisher enttäuschend ausgefallen, räumen die Forscher ein. Hingegen scheine die Zahlungsbereitschaft bei gutem Wetter noch nicht ausgereizt. Potenzial sehen sie auch in den Bereichen, die weniger wetterabhängig sind, etwa den kulturellen Angeboten. «Hier müsste man Angebote und Kommunikationsstrategien weiter ausbauen», so von Arx. Sicher ist: Es braucht noch mehr empirisch fundiertes Wissen über den Zusammenhang von Wetter und Reiseverhalten im Freizeitbereich.
Autorin: Tatjana Stocker
Bild: rigi.ch