Sita Mazumder, geht es in den Medien um Unternehmertum, sind noch immer vornehmlich Männer abgebildet. Ist das die Realität?
Nein. Aktuelle Studien zeigen, dass etwas mehr als 10 Prozent aller erwerbstätigen Frauen selbstständig sind, bei den Männern sind es 16 Prozent. Verglichen mit früheren Jahren holen die Frauen auf, aber es braucht Zeit. Bei den Frauen ist noch viel Potenzial vorhanden.
Woraus schliessen Sie das?
Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) attestiert der Schweiz ein ausgeprägtes weibliches Unternehmertum: So ist bei der «Gründungsaktivität» das Verhältnis von Frauen und Männern fast ausgeglichen, womit unser Land im internationalen Vergleich spitze ist. Gleichzeitig ist die Zahl der Frauen, die den Schritt in die Selbstständigkeit schaffen, dann doch wesentlich geringer. Laut Bundesamt für Statistik von 2013 sind nur 18 Prozent der Neugründungen allein auf die Initiative von Frauen zurückzuführen. Offenbar entwickeln viele Frauen Visionen für eine eigene Firma, setzen diese aber nicht erfolgreich um.
Weshalb ist das so?
Teilweise fehlen die Kenntnisse, etwa betriebswirtschaftliches Know-how oder Finanzwissen. Zudem fühlen sich gerade in der Vorgründungsphase viele allein gelassen. In dieser Phase der Unsicherheit ist es vorteilhaft, kompetente Sparringspartner zu haben. Auch Aspekte wie Rollenbilder, etwa dass Teilzeit arbeitende Mütter gerade noch toleriert, aber volle Erwerbstätigkeit oder Unternehmerinnentätigkeit nicht mit Mutterschaft vereinbar sind, sind eher hinderlich.
Wo funktioniert das besser?
Die nordischen Länder nehmen hier eine Vorreiterrolle ein. Und in den USA wird grundsätzlich mehr für Start-ups getan. So gibt es zahlreiche Business-Angels- Organisationen, deren Mitglieder Jungunternehmerinnen und -unternehmern nicht nur Geld leihen, sondern helfen, Absatzkanäle zu finden oder Kontakte zu knüpfen. Zudem steht in den USA mehr Risikokapital zur Verfügung, und dieses ist einfacher zugänglich.
Was unterscheidet Gründerinnen von ihren männlichen Pendants?
Die Frage der Finanzierung hat einen anderen Stellenwert. Frauen finden Schulden belastend, deshalb nehmen sie weniger schnell Fremdkapital auf und verzichten eher auf die Einstellung von Personal. Resultat ist ein geringeres und langsameres Wachstum. Für Männer hingegen gehören Verschuldung und Unternehmertum zusammen, ihre Firmen wachsen daher oft schneller.
Ist diese Zurückhaltung der Grund dafür, dass Frauen in der Schweiz typische Mikrounternehmerinnen sind?
Absolut. Es sind aber noch weitere Faktoren ausschlaggebend: Frauen machen sich oft selbstständig, weil sie ein hohes Mass an inhaltlicher und organisatorischer Flexibilität suchen. Sobald Personal vorhanden ist, nehmen diese Freiheiten ab. Wichtiges Stichwort hier ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies zeigt sich darin, dass 70 Prozent der selbstständigen Frauen ohne Mitarbeitende Teilzeit arbeiten.
Interview: Yvonne Anliker
Bild: Pascal Landert
Women’s Business
berät Unternehmen u.a. bei genderspezifischen Fragen und organisiert jährlich die Women’s Business Conference, am 10. November 2015 zum zehnten Mal. Zu Gast ist auch Bundesrätin Doris Leuthard. www.womensbusiness.ch