«Zuerst habe ich es mit Excel-Tabellen versucht, bald habe ich aber festgestellt, dass ich ein spezielles Tool brauche, um die Übersicht zu behalten», sagt Nadège Vetterli. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum für Integrale Gebäudetechnik (ZIG) an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur und begleitet das Suurstoffi-Projekt seit 2012. Ihr Auftrag: Mit einem Monitoring alle Daten zum Gebäudetechniksystem sammeln und auswerten, damit es stetig optimiert und weiterentwickelt werden kann.
Die Übersicht zu behalten ist anspruchsvoll, weil das Gebäudetechniksystem das Herzstück der Überbauung und deshalb besondere Anforderungen erfüllen muss. Dank eines zukunftsfähigen Energiekonzepts soll die Suurstoffi, eine durchmischte Überbauung für 2500 Arbeitsplätze und 1500 Bewohnerinnen und Bewohner, den Strom und die Wärme, die sie braucht, selbst bereitstellen. Dafür sorgen nicht nur verschiedenste Photovoltaikanlagen auf den Gebäuden, sondern auch das Anergienetz. Dieses nimmt überschüssige Wärme in einem Gebäude auf und leitet sie zu einem anderen Gebäude hin, wo geheizt werden muss. Wird die Wärme nicht gebraucht, dient ein Erdsondenfeld als Speicher. Mit diesem Erdwärmespeicher kann auch Wärme aus dem Sommer in den Winter «gerettet» werden.
Mit jedem neuen Gebäude wird die Bilanz besser
Gut die Hälfte der Arealfläche von über 100 000 Quadratmetern ist bis heute überbaut. In den bereits fertiggestellten Gebäuden wurden 400 Datenpunkte installiert. Sie messen beispielsweise die Temperatur der über 200 Erdsonden oder wie viel Strom die Wärmepumpen und Lüftungsanlagen verbrauchen. Alle 15 Minuten kommt von den Messpunkten ein Signal. «Monatlich werten wir die Daten aus, um zu sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder ob es akuten Handlungsbedarf gibt», erklärt Vetterli. Die Ingenieurin für Energieanalysen muss aus einer immensen Datenmenge herauslesen, wo es Optimierungspotential gibt. So kam es etwa vor, dass eine Wärmepumpe zu oft gestartet wurde und unnötig Strom verbrauchte. Daraufhin wurde die Regelung der Wärmepumpe angepasst.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, wie das Energiemonitoring hilft, die gesteckten Ziele Schritt für Schritt zu erreichen. Das gesamte System einer unabhängigen Energieversorgung wird dann vollends funktionieren, wenn alle Elemente gebaut sind. Eine Annäherung kann Vetterli mit jeder weiteren Bauetappe beobachten. «Zu Beginn sind vor allem Wohnungen gebaut worden, man hat fast nur Wärmebezüger gehabt», sagt Nadège Vetterli. Inzwischen sei die Bilanz besser, weil mehr Wärmeproduzenten (Abwärme) wie Gewerbebetriebe oder Bürogebäude dazugekommen sind. So hat beispielsweise Novartis auf dem Suurstoffi-Areal einen grossen Standort eröffnet.
Dies bestätigt auch Kim Riese, Leiter Projektentwicklung bei Zug Estates, die das Suurstoffi-Projekt realisiert. «Um unser Ziel, dass sich das Quartier mit eigener Energie versorgt, zu erreichen, braucht es das richtige Verhältnis von Wärmeerzeugern und -bezügern.» Dies müsse bei den nächsten Bauetappen berücksichtigt werden. «Neben zusätzlichen Wohnungen kommen weitere Gewerbeflächen hinzu, die den Wärme-Kälte-Austausch verbessern werden.»
Die Forschung profitiert
Die Suurstoffi ist ein neuartiges, dezentrales Energiesystem, in dem an verschiedenen Stellen optimiert wird, zugunsten des Gesamten. Aus den zahlreichen Daten, die Vetterli auswertet, ergibt sich für sie ein interessanter und wichtiger Nebeneffekt: «Unsere Erkenntnisse werden für künftige Forschungsprojekte über thermische Vernetzungen von grossem Nutzen sein.»
Autor: Daniel von Känel
Bild: Daniel von Känel
Das neue Departement Informatik der Hochschule Luzern wird im Herbst 2016 Gebäude in der Suurstoffi Rotkreuz beziehen. Ab 2019 werden in einem Neubau neben der Informatik auch Teile des Departements Wirtschaft auf dem Areal angesiedelt. Nebst Hörsälen, Unterrichtsräumen, Büros, einer Bibliothek und einer Mensa sind es auch Wohnungen für Studierende, die den Campus Rotkreuz bilden werden. Die Hochschule Luzern und der Immobilieninvestor Zug Estates haben im Sommer 2015 die Mietverträge unterschrieben.