Schon als Mädchen war Sarah Buechi klar: Sie will Musik machen. Als Fünfjährige spielte sie bereits Violine und Klavier. Sie ist mit Klassik aufgewachsen, gefördert von ihren Eltern: er Klavierlehrer und Komponist, sie Lehrerin und Organistin, beide Chorleiter. Doch nicht Klassik sollte es sein, sondern Jazz. «Janis Joplins Stimme war eine Art Weckruf», erinnert sich die junge Frau mit den hellen, wachen Augen. «Sie hat sich erlaubt, die Möglichkeiten ihrer Stimme auszuloten.» Auf der Terrasse des World Café im Kultur- und Kongresszentrum Luzern ist es lärmig, doch das scheint die 33-Jährige nicht zu stören. Sie wirkt lebhaft, spricht schnell und doch überlegt.
Ihre Stimme wurde von der Kritik als «unverwechselbar» gelobt, ihr zweites Album «Flying Letters» als «Sensation» gefeiert: Die hochbegabte Sängerin verbinde Jazz mit modernem Songwriting. Mit herkömmlichem Jazz und dem Improvisieren über bekannten Melodien kann Sarah Buechi jedoch nichts anfangen: «Im Zentrum steht meine eigene Musik.» Die Basis dafür hat sie sich während ihres Jazzgesangstudiums an der Hochschule Luzern erarbeitet. Ihre Gesangslehrerinnen, Susanne Abbuehl und Lauren Newton, hätten sie stark geprägt. Dennoch musste sie ihren eigenen Weg gehen, ihren eigenen Stil finden. Inspiration fand sie u.a. in Südindien, wo sie sich in die klassische indische Musik vertiefte. «Es war auch in Bezug auf die Musik ein Kulturschock: Ich besuchte anfangs denselben Unterricht wie die Kinder», sagt sie und lacht. Ihr erstes Album (2010) war denn auch stark von indischer Rhythmik und Melodik beeinflusst.
Unterdessen hat Sarah Buechi in New York und Dublin gelebt und eine dreijährige Zusatzausbildung in Kopenhagen abgeschlossen. Beim Saxofonisten Steve Coleman in New York, einem «wunderbaren Musiker und Lehrer», lernte sie die Methode der Überlagerung verschiedener Metren – und reiste danach nach Ghana, um nach den Wurzeln dieser Musik zu suchen. «Andere Kulturen, Reisen, Literatur, zeitgenössische elektronische Musik – mich inspiriert alles Mögliche.» Fliegt ihr eine Liedzeile oder eine Melodie zu, wird sie auf einem Stück Papier, das sie gerade zur Hand hat, notiert.
Aus der herkömmlichen Musik ausbrechen und neue Wege beschreiten – das ist Sarah Buechis Anspruch. Sie ist sich bewusst, dass das Publikum so viel Experimentierlust nicht immer goutieren kann. «Aber dieses Risiko muss ich in Kauf nehmen.» Ihr Blick erlaubt keine Zweifel: Dieser Künstlerin ist es ernst.
Autorin: Tatjana Stocker
Fotografin: Linda Polleri
Zur Person
Sarah Buechi, Jahrgang 1981, ist in Luzern aufgewachsen, hat in Glarus das Gymnasium besucht und an der Hochschule Luzern Jazzgesang studiert. 2007 schloss sie ihr Studium (Master in Jazz Performance / Master in Jazz Pädagogik) mit zwei Auszeichnungen ab. Im indischen Bangalore studierte sie eineinhalb Jahre lang indische Musik. Sie unterrichtet an der Musikschule Konservatorium Zürich und tritt international in verschiedenen Formationen auf. Im Herbst erscheint ihr drittes Album, «Shadow Garden» (Intakt Records). Sie lebt mit ihrem Mann, einem irischen Maler, in Luzern und London.
www.sarahbuechi.com