«If you fail to plan, you are planning to fail», sagte einmal Benjamin Franklin – eine Warnung, an die in der Wirtschaftswelt immer wieder erinnert wird. So zeigen Untersuchungen, dass Existenzgründungen oft scheitern, weil die Gründer zu wenig vorbereitet sind. «Am häufigsten begegnen mir Businesspläne, bei denen der Finanzplan vernachlässigt wurde. Es wird zum Beispiel ein Umsatz ausgewiesen, aber nicht aufgezeigt, wie viel erst einmal investiert werden muss, um ihn zu erreichen», erzählt Rouven Willimann von der Wirtschaftsförderung Luzern.
Doch weil sich die Zukunft nie ganz genau voraussagen lässt, wird der Businessplan heute zum Teil skeptisch betrachtet. «Auch wenn man einen Businessplan sehr detailliert macht: Dadurch werden die Annahmen nicht zutreffender, es bleiben eben Annahmen», sagt Markus Zemp. Der Studienleiter des MBA an der Hochschule Luzern sieht deshalb die Bedeutung des Businessplans in einem Wandel begriffen.
In der Schweiz und in Europa gebe es zwar nach wie vor einen ausgeprägten Glauben an Planbarkeit. Und gerade Banken, die prinzipiell eher konservativ denken, erwarten einen ausführlichen Businessplan, um eine Finanzierung in Erwägung zu ziehen. Parallel dazu lasse sich aber ein Trend zum amerikanisch geprägten Lean Start-up beobachten, bei dem die Finanzierung durch Risikokapitalgeber, sogenannte Business Angels, erfolgte. «Business Angels wollen in erster Linie wissen, ob eine Idee überzeugt, ob ein Markt vorhanden ist und vor allem auch: ob der Gründungsinteressierte und sein Team im persönlichen Auftritt überzeugen.» Eine umfassende Dokumentation ist zweitrangig.
Lean Start-up – ein Gegentrend
In den USA gibt es etwa drei Millionen Business Angels, in Europa sind es nicht ganz so viele. Der Verein Business Angels Switzerland (BAS) zählt derzeit gerade mal 76 Mitglieder. «Dennoch spielen diese Business Angels bereits eine wichtige Rolle in der Schweizer Start-up-Szene», sagt Zemp. Monatlich veranstaltet der Verein ein Meeting, an dem Gründungsinteressierte eingeladen sind, ihre Geschäftsideen zu präsentieren.
In der Regel sind dies Start-ups, bei denen es eher um kleinere Investitionen zwischen 50’000 und 2 Millionen Franken geht. Die «Unternehmensengel» unterstützen sie nicht nur finanziell, sondern auch beratend und sind bereit, ein grosses Risiko einzugehen. Zemp erklärt: «Dafür verlangen sie im Gegenzug auch entsprechend hohe Kapitalrenditen, oft kombiniert mit einem im Voraus geplanten Exit, das heisst dem gewinnbringenden Verkauf der Firmenanteile.»
Präsentationen an solchen Meetings dauern 10 bis 15 Minuten. Wenig Zeit, um Investoren zu überzeugen – keine Zeit, um einen 50-seitigen Businessplan vorzustellen. Für Start-ups biete sich das «Business Model Canvas» an, sagt Zemp. «Es konzentriert sich auf eine knappe und einfache Darstellung der wichtigsten Aspekte: Wer sind die Partner, welches Know-how ist da, welcher Wert wird mit dem Produkt generiert, auf welchen Kanälen will man wen erreichen, wie wird Geld generiert und was braucht es für Investitionen?» Es gehe heute auch darum, schnell auf den Markt zu gehen und zu schauen, ob überhaupt eine Nachfrage da sei. Denn: «Wer weiss schon, ob eine Idee funktioniert, wenn man sie nicht ausprobiert?»
Das Scheitern vermeiden
Auch der Dozent Walter Stäuble sieht bei Start-ups die Entwicklung eines schlanken Geschäftsmodells und dessen praxisnahen Test als ersten Schritt. Eine prinzipielle Alternative sei das allerdings nicht. «In einem zweiten Schritt gilt es dennoch, einen detaillierten Businessplan zu entwickeln.» Stäuble unterrichtet und lehrt Studierende, was ein Businessplan abdecken muss: Strategie und Vision, Produkteportfolio, potenzielle Kunden, Konkurrenz, Vermarktung, Produktionstechnologien, Lohnpolitik, Führungsinstrumente, Risiken, Finanzierung ...
Beim Entwickeln eines solchen Plans geht man sozusagen mit seinem Geschäft schwanger. Untersucht, ob alle Glieder da sind, beugt möglichen Krankheiten vor und bereitet den Weg für ein gesundes Wachstum. Auch Markus Zemp sieht darin einen grossen Vorteil: «Man erkennt Informationslücken und kann das Scheitern besser vermeiden – wenn auch nicht den Erfolg garantieren.» Allerdings, sagt Rouven Willimann, spiele es keine entscheidende Rolle, ob der Businessplan 20 oder 100 Seiten umfasst. «Wesentlich ist, dass er konsistent ist und aufzeigt, wie die Geschäftsidee profitabel umgesetzt werden kann.»
Businessplan als Denkprozess
Alle drei Experten sind sich einig, dass ein Businessplan nicht nur ein Instrument ist, um Banken oder Partner von seinem Unternehmen zu überzeugen. «Dieser zwingt den Gründer, Ideen gründlich zu reflektieren», sagt Willimann. Stäuble ergänzt: «Er dient dazu, Ordnung zu haben im Kopf, das Geschäft und seine Chancen und Schwächen zu kennen, Transparenz zu schaffen nach innen und nach aussen.»
Wenn Walter Stäuble mit seinen Bachelor-Studierenden Businesspläne für Zentralschweizer KMU (siehe Box) entwickelt, lernen sie auch die Grenzen und Tücken solcher Planung kennen. «Man darf sich nicht verleiten lassen, Dinge oder Zahlen zu beschönigen – Papier ist geduldig.» Wichtig sei es, Widersprüche innerhalb des Businessplans zu erkennen, Schwierigkeiten aufzuzeigen und Alternativen zu entwickeln, wenn sich Gefahren abzeichneten. Ausserdem sei ein Businessplan ein Prozess, er müsse laufend überprüft und an die Realität angepasst werden. Denn der Trend zu einem schlankeren Businessplan und einem rascheren Markteintritt rührt nicht zuletzt daher, dass die Märkte heute viel dynamischer und kurzlebiger sind als noch vor ein paar Jahrzehnten, als es sich noch lohnte, aus dem Businessplan eine halbe Doktorarbeit zu machen.
Autorin: Susanne Gmür
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