Das kleine Haus im Bruchmattquartier von Luzern zieht unweigerlich die Blicke auf sich. Schneeweiss verputzt und leicht schräggestellt steht es zwischen einem wuchtigen Wohnblock und einem älteren Zweifamilienhaus. Auch wenn es sich bei dem kleinen Haus um ein Wohnhaus handelt – dass es einmal eine Garage war, lässt sich heute noch erahnen.
Seit Mai 2014 ist das revidierte Raumplanungsgesetz in Kraft und ein haushälterischer Umgang mit dem Boden Pflicht. Gemeinden müssen, bevor sie neue Bauzonen ausweisen, bestehende Nutzungsreserven ausschöpfen. Diese sogenannte «Siedlungsentwicklung nach innen» hat zum Ziel, auf gleicher Bodenfläche mehr Einwohnerinnen und Einwohner unterzubringen.
Kleinteilige Eigentumsstruktur ((bremst die Verdichtung))
Um nach innen zu verdichten, werden Baulücken geschlossen, Areale und Gebäude umgenutzt oder der Platz auf Grundstücken besser ausgenutzt. Dafür müssen Gemeinden jedoch als Erstes den planungsrechtlichen Spielraum erweitern, innerhalb dessen An-, Auf- oder Umbauten in die Höhe und in die Breite wachsen dürfen. Die Eigentumsstruktur bei Immobilien ist in der Schweiz vielerorts sehr kleinteilig. Gemeinden, die die Möglichkeiten einer Entwicklung nach innen prüfen, sehen sich deshalb häufig mehreren Privateigentümern gegenüber, die sie für ihre Ziele erst gewinnen müssen. Der grösste Feind von Verdichtung, so heisst es, sei der Nachbar.
Hier setzt das Forschungsprojekt «Smart Density» an, das mit neun Gemeinden und drei Baugenossenschaften durchgeführt wurde. Projektleiterin Ulrike Sturm vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) des Departements Technik & Architektur untersuchte mit ihrem Team, wie eine Gemeinde Verdichtungsvorhaben erfolgreich auf den Weg bringen kann. Anhand von Fallbeispielen erarbeitete das Team exemplarische Verdichtungsszenarien für verschiedene Wohnquartiere.
Frühzeitiger Dialog fördert Kooperation
«Eigentümer sind Schlüsselakteure, da sie letztlich über konkrete Baumassnahmen entscheiden. Es ist für das Gelingen von Verdichtung matchentscheidend, dass sie von Gemeinden frühzeitig miteinbezogen werden», sagt Ulrike Sturm. Diese Erkenntnis teilt André Duss, Projektleiter Raumentwicklung der Dienststelle Raum und Wirtschaft (rawi) des Kantons Luzern. Die rawi war eine der Projektpartnerinnen in «Smart Density». «Die Gruppe der Eigentümer ist oftmals heterogen. Es treffen unterschiedlichste Persönlichkeiten mit teilweise divergierenden Vorstellungen aufeinander. Nur wenn es gelingt, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen, hat Verdichtung eine Chance», sagt er.
Im Projekt «Smart Density» befragten Expertinnen und Experten des Departements Soziale Arbeit 38 Eigentümerinnen und Eigentümer. Unter anderem klärten sie deren individuelle – auch finanzielle – Ausgangslage sowie ihre Einstellung zu Verdichtungsmassnahmen vertieft ab. Fazit: Wenn Verdichtungsstrategien identitätsstiftende Elemente eines Quartiers bedrohen, sind sie praktisch chancenlos. Wer sie berücksichtigt, wird hingegen auf weniger Widerstand stossen.
((Fallstudie: Seeblick im Oberdorf, Gemeinde Vitznau))
Dies zeigt die Fallstudie im Oberdorf der Gemeinde Vitznau deutlich: Die Lage zwischen den Bergen und dem Vierwaldstättersee setzt einem Wachstum der Gemeinde nach aussen natürliche Grenzen. Will sie sich auch künftig entwickeln, ist sie auf eine Verdichtung ihres bestehenden Siedlungsgebietes angewiesen. Die Mehrheit der Gebäude in Vitznau ist so angeordnet, dass sie mit der schmalen Seite zum Wasser stehen. Dies erlaubt von vielen Orten des Oberdorfes den Blick auf den See. In den Interviews stellte sich diese Beziehung zum Wasser als zentral heraus. Die Gemeinde nahm deshalb bei der Revision der Bau- und Zonenordnung 2014 als neue Bestimmung eine Beschränkung der Frontlängen neuer Bauten zum See auf, damit diese Blickbeziehung auch künftig gewahrt bleibt.
((Fünf Verdichtungstypen, Bildgalerie?))
Nicht nur in sozialer, sondern auch in architektonischer Hinsicht ist die Realisierung von Verdichtungskonzepten eine Herausforderung. Die Baufläche kann sehr klein und ungünstig geschnitten sein. Gestalterische Vorgaben können einschränken, ebenso das Budget. Nichtsdestotrotz: Das «Smart Density»-Team zeigte fünf mögliche Verdichtungstypen auf: einen Ersatzneubau für ein bestehendes Gebäude, einen Ergänzungsneubau auf dem unbebauten Teil eines Grundstücks, eine Sanierung mit Anbau, eine Sanierung mit Aufstockungsowie eine Sanierung mit Anbau und Aufstockung.
Vorteilhafter Verdichtungswerkstoff ((Holz))
Welcher Verdichtungstyp sinnvoll ist, hängt vom jeweiligen Ort ab. Fast immer möglich ist die Aufstockung eines Gebäudes – insbesondere wenn dafür eine Holzkonstruktion verwendet wird. Der Werkstoff bietet bei verdichtenden Baumassnahmen viele Vorteile:
- Er ist leicht und eignet sich somit gut für das Aufstocken von bestehenden Bauten, da diese nur begrenzt weitere Lasten aufnehmen können.
- Vorgefertigte Elemente reduzieren zudem Bauzeit, Baulärm und Schmutz für die Umgebung – wichtige Faktoren für die Akzeptanz von verdichtenden Massnahmen in bestehenden Wohnquartieren.
- Und wenn inländisches Holz verwendet wird, reduzieren sich auch die Transportwege und Treibhausgasemissionen.
- Im Rahmen des Projekts stellten die Expertinnen und Experten fest, dass der Werkstoff Holz bei Bewohnern grundsätzlich eine hohe Akzeptanz geniesst. Er wird als wohnlich und behaglich wahrgenommen.
- Vorbehalte gegenüber Holz als Witterungsschutz konnten relativiert werden. Holz hat sehr gute wärmedämmende Eigenschaften. Beim Holzbau kann die Wärmedämmung daher zwischen die tragende Holzkonstruktion gelegt werden, während beim Massivbau zwei Schichten für Konstruktion und Dämmung notwendig sind.
- Die daraus resultierende geringere Wandstärke beim Holzbau kommt der Wohnfläche zugute.
- «Und Holzbau muss nicht heissen, im Chaletstil zu bauen», betont Ulrike Sturm. «Holzkonstruktionen ermöglichen eine freie Gestaltung der Fassade.» Der Werkstoff ist nicht immer sichtbar, oft bildet er nur die tragende Konstruktion.
Für Verdichtungskonzepte gibt es keine Musterlösungen, in jeder Gemeinde ist die Ausgangslage anders. «Es gibt wohl Strategien, die von einem Standort auf einen anderen übertragen werden können. Der Sichtbezug zum Wasser wie in Vitznau ist bestimmt auch in weiteren Seegemeinden ein Thema. Das Konzept, um ihn sicherzustellen, wird aber von Gemeinde zu Gemeinde variieren», sagt Sturm. Und so einzigartig die Bauplätze sind, so individuell sind die Einstellungen der Menschen gegenüber der Realisierung von Verdichtung. Während der Mehrheit der befragten Eigentümer das kleine weisse Haus gefällt, das früher eine Garage war, scheiden sich die Geister an anderen Beispielen. Aufgesetzte Wohneinheiten auf ein- oder bereits mehr geschossigen Gebäuden empfinden die einen als «äusserst gelungen», die anderen als «völlig unpassend».