«Ich habe die Musik nicht bewusst gewählt. Es gab für mich schlicht nur dieses eine Ausdrucksmittel», sagt die 30-Jährige. Musik ist für die Frau mit polnischen, spanischen, französischen, schweizerischen und algerischen Wurzeln die Heimat, die sie auf der Landkarte nicht genau bestimmen könnte. Lea Lu, mit bürgerlichem Namen Lea Dudzik, lebt in Zürich. Für ihre Gesangsausbildung nach Luzern zu gehen, hatte sie sich gut überlegt: «Für die Hochschule Luzern sprachen die Breite des Angebots und die inspirierenden Dozierenden. » Manchmal musste sie auf die Zähne beissen, wenn sie wegen ihres Gesangsstils und ihrer Technik Kritik einstecken musste. Zu wenig jazzig, zu nah am Pop, bemängelte man. Sie blieb ihrem Stil treu. Der Erfolg hat ihr Recht gegeben.
Bis Lea Lu 2005 ihre Ausbildung in der Abteilung Jazz aufnahm, konnte sie keine Noten lesen. Dieses Defizit machte sie mit einer ungewöhnlichen Fähigkeit wett: Jeder Ton evoziert in ihr eine Farbe, was sie sich beim Auswendiglernen heute noch zu Nutze macht. Für sie ist die Synästhesie nichts Aussergewöhnliches. Lieber spricht sie über die ungeheure Kraft, die durch Leiden freigesetzt werden kann. Im Oktober 2012 erlitt sie einen Hörsturz. Was das Ende ihrer Gesangskarriere hätte sein können, stellte sich als musikalisch höchst fruchtbare Phase heraus. «Andere schreiben Tagebuch, ich schrieb in drei Jahren 2000 Songs.»
Diesen Frühling präsentierte Lea Lu ihre dritte CD mit dem Titel «2». Der Titel bezieht sich explizit auf die Gegenpole des Lebens: Freud und Leid, Tag und Nacht, Fülle und Leere. «Ich singe ausschliesslich von Selbsterlebtem, manchmal jedoch verschlüsselt. Wichtiger als die Worte ist ohnehin die Emotion, die ich rüberbringen will. Das wurde mir unter anderem an der Hochschule Luzern beigebracht.»
Wer in der jungen Schweizer Musik wahrgenommen werden will, muss auf sich aufmerksam machen. «Netzwerken ist ebenso wichtig wie Üben.» Zu Beginn ihrer Karriere sprach Lea Lu bei allen möglichen Leuten vor, schüttelte Hände, verschenkte CDs von sich und verteilte Visitenkarten. Dass sie schon Preise erhalten habe, sei wunderbar. Deren Wirkung verpuffe aber relativ schnell. Sich auf den Lorbeeren ausruhen kann und will sie nicht. Um noch besser zu werden, nimmt sie monatlich eine Gesangsstunde. «Es gibt für mich zur Musik keine Alternative.»
Autorin: Kathrin Zellweger
Foto: Sony Music
Zur Person
Lea Lu alias Lea Dudzik, 1984, ist Sängerin und Songwriterin aus Zürich. 2008 schloss sie an der Hochschule Luzern den Bachelor Music, Jazz vokal, ab und zwei Jahre später den Master in Musikpädagogik (Gesangspädagogik). Einen Tag pro Woche unterrichtet sie an der Musikschule Thalwil-Oberrieden. Mit 20 gewann Lea Lu den Nachwuchspreis beim Young Swiss Jazz Festival und 2010 den Prix Walo in der Kategorie Newcomer. Im Frühjahr 2014 veröffentlichte sie ihr drittes Album. www.lealu.ch/