Ob in der Bildung, im Sozialwesen, in der Kultur oder im Verkehr – die öffentliche Hand erledigt längst nicht (mehr) alle Aufgaben selber. Vielmehr übernehmen gemeinnützige Organisationen und private Unternehmen Teile davon. Der Kanton Zug etwa listet über 40 Organisationen und Institutionen auf, die staatliche Dienstleistungen erbringen: Ein Verein führt die öffentliche Arbeitsvermittlung (RAV), eine Aktiengesellschaft im Besitz der öffentlichen Hand betreibt den regionalen öffentlichen Busverkehr… Hinzu kommen diverse Stiftungen und Vereine, die im Sozialbereich tätig sind.
Organisationen sind im Spannungsfeld von Qualität und Effizienz
Besonders die Soziale Arbeit steht seit mehreren Jahren unter Druck: Während die Ausgaben steigen, weil unter anderem die Bevölkerung altert und mehr Asylbewerbende zu betreuen sind, diskutieren Kantone und Gemeinden Beitragskürzungen. Gleichzeitig möchten soziale Institutionen die Bedürfnisse ihrer Klienten bestmöglich erfüllen. In diesem Spannungsfeld ist es wichtig, dass sich die Organisationen entwickeln, ihre Tätigkeiten laufend reflektieren und anpassen. «Ein einfaches Instrument, das die Führungspersonen dabei unterstützen könnte, existierte bisher aber nicht», sagt Alex Lötscher vom Departement Wirtschaft der Hochschule Luzern. Gängige Qualitätsmanagementsysteme aus der Privatwirtschaft eignen sich nicht, sie sind zu aufwändig. Zudem unterscheiden sich die Zielsetzungen. «Im Sozialbereich geht es um Menschen und um Sozialkompetenzen, nicht um Produkte und Gewinnmaximierung», sagt Lötscher.
Einfaches webbasiertes Tool
Aus diesem Grund haben die Departemente Wirtschaft und Soziale Arbeit der Hochschule Luzern ein Führungsinstrument entwickelt, das den spezifischen Bedürfnissen von sozialen Organisationen Rechnung trägt. Entstanden ist ein webbasiertes Tool, das sich «Fitnessradar» nennt und aufzeigt, wie «fit» eine Institution in verschiedenen Bereichen ist. Untersuchen lässt sich beispielsweise, wie das Risikomanagement ausgestaltet ist oder ob regelmässig eine Bedürfnisklärung für alle Anspruchsgruppen – vom Klienten bis zur Auftraggeberin – stattfindet. Anhand einer Skala von 0 (das Thema findet innerhalb der Organisation keine Beachtung) bis 5 (das Thema wird systematisch bearbeitet) wird der Status aufgezeigt. Grundlage für die Beurteilung ist ein Fragebogen, den die Mitarbeitenden, die Führungskräfte und die Vorstände ausfüllen.
«Der Fitnessradar zeigt, wo es hapert», sagt Werner Riedweg vom Departement Soziale Arbeit. Die Analyse legt aber nicht nur das Entwicklungspotenzial in sechs Themenbereichen (siehe Box) offen, sondern macht auch ersichtlich, ob die diesbezüglichen Einschätzungen der Mitarbeitenden und der Führungsebenen gleich sind oder auseinanderdriften: Ist allen die Strategie bekannt? Weiss der Vorstand, mit welchen Problemen die Mitarbeitenden zu kämpfen haben?
Riedweg macht ein Beispiel: «In einer Firma im Sozialbereich wurde mal gefragt: ‹Sind Ihre Mitarbeitenden korrupt?› Der Vorstand antwortete entschieden mit Nein. Mitarbeitende hingegen gaben an, dass sich bestimmte Angestellte regelmässig bereichern würden, indem sie Ware des Unternehmens unter der Hand weiterverkauften.» Die Leitung hatte sich zu stark von der Basis entfernt, um das Problem zu erkennen. «Der Fitnessradar ist ein Instrument, um frühzeitig solche Führungs- und Wissenslücken zu entdecken», sagt Riedweg. Regelmässig angewendet, kann mit dem Fitnessradar ebenso der Verlauf des Verbesserungsprozesses nachvollzogen werden.
Stetige Verbesserung der Leistungen ist Pflicht
Bei der Entwicklung des Instruments arbeitete das Forschungsteam mit dem Sozialamt des Kantons Zug zusammen, das zuständig für die Planung und Steuerung von sozial- und gesellschaftspolitischen Massnahmen ist und als Leistungsbestellerin auftritt. Mit von der Partie waren ausserdem soziale Institutionen, die für Zug im Sozialbereich Aufgaben über nehmen. Finanziell beteiligt hat sich die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes.
«Soziale Institutionen haben in den letzten Jahren einen grossen Schritt in ihrer Organisationsentwicklung gemacht. Der Fitnessradar kann sie bei der weiteren Professionalisierung unterstützen», sagt Christina Dahinden Haas, Projektverantwortliche des Sozialamts des Kantons Zug, welches das neue Führungsinstrument auch gleich selber testet. «Eine stetige Verbesserung ihrer Leistungen ist für die sozialen Institutionen Pflicht, denn die Anforderungen an die Qualität und die Wirtschaftlichkeit werden kaum kleiner.» Und Mängel würden schnell aufgedeckt, sei es unter anderem durch die Medien oder die Angehörigen, ergänzt Christina Dahinden Haas.
Kein Kontrollsystem
Als Kontrollinstrument für Kantone und Gemeinden, die Aufgaben an Externe auslagern, möchten die Entwickler den Fitnessradar hingegen nicht verstanden haben. «Wir werden den Organisationen sicherlich nicht vorschreiben, ihn einzusetzen», sagt Christina Dahinden Haas. Alex Lötscher von der Hochschule Luzern fügt an: «Es ist vielmehr ein internes Diagnoseinstrument für soziale Institutionen, die damit überprüfen können, ob sie ihren eigenen und den Anforderungen des Leistungsbestellers genügen.»
Autorin: Yvonne Anliker