Wer auf Jobsuche ist, stösst in Stelleninseraten immer wieder auf das gleiche Wort: Teamfähigkeit. Eine Eigenschaft, die in vielen Berufen vorausgesetzt wird. Dem müssen sich auch Hochschulen stellen. «Die Unternehmen fordern von uns sehr deutlich, dass unsere Studienabgängerinnen und -abgänger neben gutem Fachwissen auch soziale Kompetenzen mitbringen», sagt Christof Arn, Co-Leiter des Zentrums für Lernen und Lehren (ZLL) der Hochschule Luzern. Gruppenarbeiten gehören deshalb in allen Fachbereichen zum Studienalltag. «Studierende üben mit dieser Arbeitsform den konstruktiven zwischenmenschlichen Umgang. Sie trainieren, gut zu kommunizieren, Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Entscheide zu fällen.»
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sich die Leistung von Studierenden steigern kann, wenn sie im Team arbeiten: Sie sind mit grösserem Engagement dabei und wenden mehr Zeit für ihre Aufgaben auf – das fanden beispielsweise die amerikanischen Forscher David W. Johnson und Roger T. Johnson 2013 in einer Metastudie heraus. Läuft nicht alles rund, kann Gruppenarbeit jedoch auch eine frustrierende Erfahrung sein. Letztlich entscheiden in dem komplexen Prozess verschiedenste Faktoren darüber, ob «TEAM» ein Ausdruck ist für «Together Everyone Achieves More» (Gemeinsam erreicht jeder mehr) oder für «Toll, Ein Anderer Machts».
Kalkulierte Unklarheiten
Um erfolgreiche Gruppenarbeiten im Studium durchzuführen, sind zunächst die Dozierenden gefordert. ZLL-Mitarbeiterin Yolanda Martínez Zaugg, die für Dozierende den Kurs «Gruppenarbeiten gestalten und bewerten» organisiert, skizziert die ideale Aufgabenstellung so: «Sie löst eine Diskussion aus und ist so komplex aufgebaut, dass jedes Mitglied gebraucht wird; es braucht ein Element, das die Gruppe nur als Ganzes leisten kann.» Martínez nennt zwei Beispiele: «In Jazzformationen ist die Einzelleistung der Musikerinnen und Musiker wichtig, aber nur gemeinsam entsteht gute Musik, etwa dank Diskussion über verschiedene musikalische Aspekte wie Tempo oder Abläufe.» Dasselbe geschehe bei der Erarbeitung eines Marketingkonzepts, wenn sich die Gruppe über Zielgruppen und Preisgestaltung einigen müsse. «Die Dozierenden sollen dem Auftrag gerne eine realistische Unschärfe lassen», ergänzt Arn. «Im realen Leben sagt einem auch niemand, wie viele Seiten ein Dokument umfassen soll.»
Eine Gruppenarbeit gestaltet sich je nach Thema anders. Damit die Zusammenarbeit klappt, gibt das Zentrum für Lernen und Lehren (ZLL ) der Hochschule Luzern ein paar Tipps:
- Gleich zu Beginn die gegenseitigen Verfügbarkeiten klären und einen Zeitplan erstellen. Dazu gehört auch die Vereinbarung von Treffen und eines Treffpunkts.
- Eine klare Aufgaben- und Rollenverteilung vornehmen
- Eventuell braucht es auch jemanden, der den Gesamtüberblick über Teilbereiche behält.
- Nicht nur die Zielerreichung im Auge behalten, sondern zwischendurch auch den Gruppenprozess reflektieren: Was funktioniert gut im Team, was weniger?
- Toleranz gegenüber unterschiedlichen Charakteren entwickeln.
- Nicht schweigen, wenn fachliche oder zwischenmenschliche Probleme auftauchen.
Verständnis für andere Disziplinen fördern
Weil Gruppenarbeiten auf die Arbeitswelt vorbereiten sollen, legt die Hochschule Luzern insbesondere Wert auf die Interdisziplinarität. Denn heute muss die Elektroingenieurin mit dem Kommunikationsfachmann, der Informatiker mit der Personalfachfrau und die Ökonomin mit dem Sozialarbeiter zurechtkommen. Studierende der Departemente Design & Kunst sowie Technik & Architektur üben die Interdisziplinarität während ihrer Ausbildung zum Beispiel mit der Erarbeitung eines gemeinsamen Projekts. Ihre Aufgabe ist es, ein vorgegebenes Ausstellungsthema aus der Sicht ihrer jeweiligen Fachrichtung und gleichzeitig in disziplinenübergreifenden Gruppen zu bearbeiten.
Trittbrettfahrer und andere Störfaktoren
Die Fallstricke für Gruppenarbeiten, ob im Studium oder am Arbeitsplatz, legen vielfach die Mitglieder selber, beispielsweise durch mangelnde Toleranz. «Für die Teamarbeit ist es wichtig, anderen Persönlichkeitstypen gegenüber aufgeschlossen zu sein», sagt Arn. Denn die Stärken der einzelnen Gruppenmitglieder seien manchmal nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Natürlich besteht auch die Gefahr, dass ein paar Fleissige die Arbeit erledigen, während Trittbrettfahrer eine ruhige Kugel schieben. Auch ein dominantes Alphatier kann eine Gruppe blockieren.
«Entscheidend für das Gelingen einer Gruppenarbeit ist oft, dass das Team die Zusammenarbeit thematisiert», sagt Arn. «Sozialkompetenz lernt man nicht automatisch durch das Arbeiten in einer Gruppe, sondern durch die Reflexion: bewusstes, im Idealfall gemeinsames Nachdenken über Prozesse und Interaktionen.» Im Studium ist es Aufgabe der Dozierenden, solche Diskussionen anzustossen, Prozesse zu begleiten und situationsgerecht einzugreifen. «In einer festgefahrenen Situation sollten sie bereit sein, als Ultima Ratio die Gruppenkonstellation neu zu gestalten», sagt Martínez Zaugg. In einem Unternehmen tragen die Vorgesetzten eine vergleichbare Verantwortung. Auch hier können Teams neu formiert werden, sei es, um Gruppenprozesse zu stärken oder um Kundenbedürfnissen besser zu entsprechen und Unternehmensziele zu erreichen.
Kaum Grenzen für Teamarbeit
Grenzen für die Teamarbeit sieht Martínez Zaugg in der Arbeitswelt kaum. «Niemand kann heute noch im stillen Kämmerlein für sich alleine arbeiten.» Zwar macht es durchaus Sinn, dass beispielsweise eine Architektin einen Entwurf eines Gebäudes alleine erarbeitet. Anschliessend ist es aber hilfreich, das Feedback von Arbeitskolleginnen und -kollegen einzuholen, um das eigene Produkt zu optimieren. Auch im Studium lohnt es sich, nach der Durchführung eines Experiments oder der Erarbeitung eines Konzepts die Meinung der Kommilitoninnen und Kommilitonen anzuhören. Die Arbeit im Team stösst jedoch dort an ihre Grenzen, wo die Leistungen von Einzelpersonen bewertet werden müssen. Gerade in der Aus- und Weiterbildung ist dies oft der Fall, weil hier Einzelleistungen immer noch eine grössere Rolle spielen als im Arbeitsleben.
Autorinnen: Yvonne Anliker, Mirella Wepf