«Die Biografie von Menschen mit psychischen Erkrankungen hat mich immer interessiert und fasziniert», sagt Harald Müller. «Die Lebensgeschichten und die unterschiedlichen Lebenswege zu verstehen und die Patientinnen und Patienten in ihren Anliegen zu unterstützen, ist die zentrale Aufgabe der Psychiatrie.» Der heutige Pflegedirektor der Privatklinik am Zürichsee arbeitet seit über drei Jahrzehnten im psychiatrischen Umfeld. An seiner Berufswahl hat er nie gezweifelt. Auch nicht in extremen Situationen, in denen Patienten sich entschieden hatten, sich das Leben zu nehmen. Er wird nachdenklich: «Solche Momente fordern nicht nur die Mitarbeitenden sehr, sondern auch mich berühren sie stets von neuem.
Trotz professionellem Handeln prägen solche Ereignisse auch persönlich.» Als passionierter Gleitschirmflieger hat Angst in seiner Freizeit keinen Platz. Im Beruf kommt ihm dies zugute, denn Angst vor Entscheidungen mache das Arbeiten schier unmöglich. Sein Hobby war ein wesentlicher Grund, weshalb der gebürtige Deutsche in die Schweiz kam.
An jeder Chance gewachsen
Seine erste berufliche Station führte den gelernten Pflegefachmann nach Oberwil in die Psychiatrische Klinik Zugersee. Nach zwei Jahren erfüllte er sich seinen grossen Traum und reiste als Backpacker durch Mittel- und Südamerika. Erinnerungen daran bleiben unvergessen, beispielsweise der gemächliche Umgang mit der Zeit und die auffallende Gastfreundschaft trotz wirtschaftlicher Missstände.
Nach der Rückkehr in die Schweiz startete Harald Müller 1994 im Sanatorium Kilchberg in einen neuen Lebensabschnitt. Er trat eine Stelle als Pflegefachmann an. Bald schon erhielt er die Chance, eine Stationsleitung zu übernehmen. So wechselte er alle zwei bis drei Jahre seine Funktion und kletterte die Karriereleiter immer höher. Harald Müller wurde Klinikschulleiter, später Pflegeexperte und stieg vor neun Jahren schliesslich auf zum Direktor Pflege. Er absolvierte in dieser Zeit verschiedene Weiterbildungen. So schloss er unter anderem den MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich an der Hochschule Luzern ab. «Ich habe stets die Chance erhalten, etwas Neues zu machen», sagt er. «Dafür bin ich dankbar.»
Die Stelle als Pflegedirektor ist ein Management- Job. Doch auch heute schätzt er den direkten Kontakt mit Patientinnen und Patienten. «Ich lasse mich gerne stören. Die Tür zu meinem Büro ist offen.» Falls ein Patient ihn sprechen möchte, bietet er seine Hilfe an. «Pflegefachmann bleibt eben Pflegefachmann», sagt er und schmunzelt.
Autorin: Denise Krummenacher
Fotografin: Sabine Rock
Zur Person
Harald Müller (49) stammt aus Kisslegg (D). Er absolvierte die Ausbildung zum Krankenpfleger und arbeitete im Zentrum für Psychiatrie in Weissenau (D). Sein beruflicher Weg führte ihn 1990 in die Schweiz, vorerst in die Psychiatrische Klinik Zugersee. 1994 trat er im Sanatorium in Kilchberg, einer Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, eine Stelle als Pflegefachmann an. Dort ist er seit neun Jahren Pflegedirektor. Er schloss unter anderem den MA S Management im Sozial- und Gesundheitsbereich an der Hochschule Luzern ab. Harald Müller wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Zürich.