Zu Fredy Studers markanten Stationen gehörten die Bands OM, Red Twist & Tuned Arrow, Pierre Favre Ensemble mit Singing Drums, Koch-Schütz-Studer (Hardcore Chambermusic), Jimi-Hendrix-Projekt mit Erika Stucky, Phall Fatale sowie sein finales Solowerk «Now’s the Time». Sein Ruf als präziser und experimentierfreudiger Musiker brachte ihn mit bekannten und internationalen Musikerinnen und Musiker aus Jazz, freier Improvisation und zeitgenössischer Musik zusammen: Joe Henderson, Charlie Mariano, Miroslav Vitous, John Zorn, Joey Baron, Robyn Schulkowsky, John Abercrombie, Sonny Sharrock, Jamaaladeen Tacuma, Dom Um Romao, Jasper van’t Hof, Rainer Brüninghaus.
Aufgewachsen in Luzern in einfachen Verhältnissen, begann Studer als Autodidakt Schlagzeug zu spielen, um dann im von Rebellion geprägten Künstlerleben der Sechzigerjahre erst richtig seine kreative Spur zu finden. Ein Schlüsselerlebnis war 1967 der Auftritt von Jimi Hendrix im Marquee Club in London, den Studer miterlebte. Das Konzert machte ihm endgültig klar, dass er Musiker werden wollte. 1972 gründete er mit seinen Luzerner Freunden Christy Doran, Urs Leimgruber und Bobby Burri die Band OM, die ihre Musik als «electric jazz-freemusic» definierte und schon in den ersten zehn Jahren ihres Wirkens europaweit Ausstrahlung fand.
Sehr früh begann Studer, die binäre Metrik des Rock mit der ternären Metrik des Jazz zu verbinden und sich auch das Polyrhythmische einzuverleiben. Nach Vorbildern wie Mitch Mitchell (Jimi Hendrix), Tony Williams (Miles Davis Quintett und Tony Williams Lifetime) und Elvin Jones (John Coltrane) entwickelte er sein Feeling und seinen Groove. Er war ein Macher, der jenseits von akademischer Verkopftheit und künstlerischem Dünkel mit weit offenen Ohren und Respekt für ganz verschiedene musikalische Traditionen immer wieder die Schlichtheit des Fadengeraden und die Präsenz des Augenblicks suchte. Im Hier und Jetzt reagierte er auf die Impulse seiner Mitmusiker:innen, öffnete neue Fährten und verwandelte sein gelbes Gretsch-Schlagzeug in eine Groove-Maschine.
Tausende von Stunden verbrachte Studer im Sedel, wo er seit den Anfängen des Luzerner Musikzentrums während 41 Jahren seinen Proberaum hatte. Akribisch übte er seine Grooves und ausgeklügelten Klangideen ein. Er war ein Arbeiter, kein Blender. Und er war auch ein Mensch, der die Genüsse des Lebens auskostete. So beflissen er sich der Musik widmete, so ausgelassen konnte er feiern und den Rausch des unbändigen Daseins ins Endlose verlängern. Seine Energie war schier unerschöpflich. Rock ’n’ Roll, das war sein Lebensgefühl. Mit Bands «on the road» zu sein, in dieser Parallelwelt der Höhenflüge und musikalischen Freundschaften, die völlig ausgekostet werden wollte: hier tankte er auf und verausgabte sich ebenso.
Neben der Musik interessierte sich Studer für Philosophie, Literatur und Kunst. Seine Bibliothek war diesbezüglich gut bestückt. Er beschäftigte sich auch mit dem politischen und gesellschaftlichen Zeitgeschehen. Pointiert vertrat er seine Meinung, eckte auch an, stritt und versöhnte sich. Das Schwammige und Abgehobene waren seine Sache nicht lieber direkt, statt mehrheitsfähig-geschliffen, dafür ehrlich und anfechtbar. Diese Lauterkeit wirkte auch in seiner Musik nach. 2018 stellte er am Jazzfestival Willisau sein Solowerk «Now’s the Time» vor, auf dem er die ausgetüftelten Grooves und Klangbilder seines Schlagzeug- und Perkussionsspiels umfassend auf den Punkt brachte. «Now’s the Time» das war auch die Devise, wie Studer dachte und lebte. Die Präsenz im Moment, die Kraft der Unmittelbarkeit, die Energie der Improvisation: Das war sein Lebenselixier und der Kern seiner musikalischen Persönlichkeit.
Der musikalische Nachlass von Fredy Studer wurde 2024 vom Verein Noise for Fredy als Schenkung der Hochschule Luzern – Musik übergeben. Er setzt sich zusammen aus rund 200 veröffentlichten und unveröffentlichten Tonträgern sowie aus Dokumentationen zu Bands und Projekten, Bildmaterial, Programmen und Presseberichten, Plakaten, Notenmaterial und biografischem und persönlichem Material. Der Nachlass soll für die interessierte Öffentlichkeit, die Forschung und die Lehre erschlossen und damit zugänglich gemacht werden. Die Digitalisierung des Tonmaterials übernimmt die Schweizerische Nationalphonothek in Zusammenarbeit mit der Hochschule – Luzern Musik.
Pirmin Bossart, Journalist