Welche Probleme kann die Digitalisierung im Bau lösen oder vereinfachen?
Vorschriften, Normen aber auch die grosse Produktvielfalt machen das Planen heute komplexer; Planungsteams bestehen aus einer grösseren Anzahl Spezialistinnen und Spezialisten. Diese interdisziplinären Teams müssen gut koordiniert zusammenarbeiten, damit ein Bauwerk effizient erstellt werden kann. Digitale Produktdatenmodelle helfen im Planungsprozess, indem sie die Vielfalt von Daten und Informationen strukturieren.
Die Digitalisierung ist auf dem Weg, den Bau zu erobern. Wie weit und in welchen Bereichen ist Digitales Bauen bereits Realität?
Um diese Frage zu beantworten müssen wir den Begriff «digitales Bauen» präzisieren: Digitale Tools werden schon seit langem angewendet. Computer-Aided-Design zum Beispiel gibt es seit über 20 Jahren; auch bei Fensterprofilen ist computerkontrolliertes Fräsen schon seit mehreren Jahrzehnten im Einsatz. Heute versteht man unter Digitalem Bauen jedoch etwas anderes: Es geht um die nahtlose Verwendung von digitalen Daten in der gesamten Prozesskette – also von Formfindung und Planung über die Produktion bis hin zum Facility Management. In der Praxis werden heute digitale Daten an unterschiedlichsten Stellen erstellt und verwendet. Für die Planung beispielsweise gilt, dass immer mehr Projekte mit der Building-Information-Modeling-Methode (BIM) abgewickelt werden. Bei der Produktion ermöglichen Produktdatenmodelle im Holzbau heute eine automatisierte Roboterfertigung von Bauelementen.
Neue Technologien erfordern meist neue Prozesse. Wie weit ist man auf diesem Weg?
Bisher sind durchgängige Schnittstellen zwischen den Planungsdaten von BIM-Modellen und digitaler Produktion nur wenig in beispielhaften Projekten erprobt worden. Heute wird nach wie vor sehr stark in Phasen gearbeitet und geplant; eine Disziplin bringt ihr Fachwissen ein, dann arbeitet die nächste auf dieser Grundlage weiter. Das heisst, dass viele Informationen und Daten doppelt eingegeben werden müssen, damit jede Disziplin weiterarbeiten kann. Mit einem gut aufgebauten digitalen Planungsprozess entfällt diese doppelte Eingabe. Die Mehrwerte der Digitalisierung kann man jedoch nur dann nützen, wenn man auch interdisziplinär denkt. Immer mehr Unternehmen erkennen mittlerweile den Vorteil von interdisziplinären Teams und organisieren sich neu. So können sie die Vorteile der digitalen Möglichkeiten besser ausschöpfen.
Ein Schwerpunkt der Energiestrategie 2050 des Bundes ist die Steigerung der Energieeffizienz. Wie helfen die Möglichkeiten des Digitalen Bauens hier?
Mit der Verwendung von Produktdatenmodellen stehen viele Daten und Informationen schon in sehr frühen Projektphasen zur Verfügung. Damit kann ein grösseres Variantenspektrum erzeugt werden. Dies vergrössert die Wahrscheinlichkeit, dass für die Weiterbearbeitung eine effiziente Variante ausgewählt wird. Konkret: mit einem parametrisierten Gebäudedatenmodell lassen sich die Öffnungsflächenanteile der Fenster nach Himmelrichtung sehr schnell ändern. Simuliert man nun jeweils den Energiebedarf für Heizen und Kühlen bei Veränderung der Öffnungsflächenanteile, kann eine effizientere Variante gefunden werden, ohne dass das Gebäude jedes Mal komplett neu in die Simulationssoftware eingegeben werden muss. Dass die Informationen strukturiert an einem Ort zur Verfügung stehen, vereinfacht darüber hinaus einen ganzheitlichen Blick auf das Projekt. Die Folgen von Entscheidungen in Bezug auf die Energieeffizienz lassen sich dadurch einfacher vorhersehen.
Welches sind die Herausforderungen in der Ausbildung von Studierenden, damit sie für den heutigen und den kommenden Arbeitsmarkt gerüstet sind?
Eine hohe disziplinäre Fachkompetenz wird weiterhin wichtig bleiben, denn neue IT-Tools werden den Alltag der Ingenieurinnen und Ingenieure zwar immer mehr prägen, doch ohne ein gutes Fachwissen können sie deren Ergebnisse nicht beurteilen. Teamkompetenz wird umso stärker gefragt sein, je komplexer das Bauen wird. Somit müssen wir in der Ausbildung zum einen Teamfähigkeit und Interdisziplinarität noch mehr fördern, als wir dies bereits tun, und zum anderen den Studierenden weiterhin ein gutes Fachwissen vermitteln.
Welche Ausbildungsgänge sind von den digitalen Neuerungen im Bereich Bau betroffen?
Grundsätzlich alle. Wie aber die Kompetenzen vermittelt werden, ist natürlich von der jeweiligen Schwerpunktsetzung abhängig. Haptisches Gestalten, zum Beispiel Modellbau bei den Architekten, und Computersimulationen sind kein Widerspruch.
Was ist im Bereich Digitales Bauen die Stärke der Hochschule Luzern?
Die Hochschule Luzern ist die einzige Hochschule, an der alle Disziplinen des Bauens unter einem Dach unterrichtet und erforscht werden. Der hohe Praxisbezug ist dabei ein wesentliches Merkmal von Forschung und Lehre. Innerhalb des Departements Technik & Architektur wird Interdisziplinarität in der Ausbildung schon lange intensiv gefördert. Doch auch über das Departement Technik & Architektur hinaus, also zum Beispiel mit den Departementen Informatik oder Wirtschaft, können wir unkompliziert Projekte und Forschungsaktivitäten in multidisziplinären Teams organisieren und durchführen. Ein reger Austausch mit dem Verein Innovationspark Zentralschweiz sowie Verbindungen zu Bauen Digital Schweiz sowie zum Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverband SIA binden Ausbildung und Forschung eng an die Praxis. Davon profitieren Studierende und Lehrpersonen gleichermassen.
Der Weiterbildungskurs Bestellerkompetenz in digitalen Bauprozessen wurde 2017 zum ersten Mal durchgeführt. Was nehmen die Teilnehmenden davon mit?
Die Teilnehmer bekamen an vier Abenden einen Überblick über die Bereiche digitale Planung, digitales Bauen, digitale Produktion und digitales Facility Management. Weiter wurden Grundlagen der BIM-Methode vermittelt. Die Teilnehmer haben nach dem Kurs einen Überblick über Potentiale der Digitalisierung im Bau und können diese auch gezielter am Markt nachfragen. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen ersten Kurs wird dieser im April 2018 wieder durchgeführt.
Was ist das Ziel der neu gebildeten Themenplattform digitalesBauen@T&A?
Mit der Plattform werden die digitalen Themen für Lehre und die Forschung im Bauwesen an einem Ort gebündelt. Sie versteht sich darüber hinaus auch als Wissens- und Arbeitscluster für die mit der Digitalisierung zusammenhängenden spezifischen Fragestellungen einzelner Disziplinen – Architektur, Bautechnik, Gebäudetechnik und Innenarchitektur – und steht somit allen Fachgebieten des Departements Technik & Architektur der Hochschule Luzern für Forschung und Lehre zu Verfügung.