Externes Fachseminar Gebäudetechnik 2024
Das externe Fachseminar ist ein etabliertes Modul des Studiengangs Gebäudetechnik | Energie am Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern. Studierende organisieren selbständig eine Exkursionswoche, dieses Jahr entschieden sie sich für Wien.
Das Wochenprogramm beinhaltet täglich eine technische sowie eine kulturelle Veranstaltung. Das externe Fachseminar wurde aufgrund von Organisationsänderungen der HSLU, das letzte Mal durchgeführt.
Die technischen Highlights waren die Rotationswärmepumpe, der Windpark und der gigantische Klima-Wind-Kanal. Daneben waren auch die kulturellen und kulinarischen Anlässe sehr zum Geniessen. Dabei erhielten die Studierenden praxisnahe Einblicke in die Technik und setzten sich kritisch damit auseinander.
Die Studierenden bildeten sich primär in den technischen Disziplinen weiter. Doch sie stellten sich auch kritische Fragen: Sind all diese Technologien wirklich nachhaltig, oder gibt es potenzielle Interessenkonflikte, die hinter den Kulissen eine Rolle spielen?
Grösste Rotationswärmepumpe von Europa (ECOP)
Temperaturen bis 200°C mit hohem COP
In Wien arbeitet die ECOP GmbH an einer bahnbrechenden Innovation: einer Rotations-Wärmepumpe, die industrielle Abwärme effizienter nutzbar macht. Mit einer revolutionären Technologie, die auf dem linksläufigen Joule-Prozess basiert, kann die Wärmepumpe auch bei hohen Temperaturen effizient arbeiten und neue Anwendungsfelder in der Industrie erschliessen.
Für einem hohen COP, bei bisher bekannten Wärmepumpen, ist es relevant, dass der Temperaturhub über den Betrieb konstant bleibt. Dieser Vorgang ist unten rechts abgebildet. (Skizze) Eine Rotations-Wärmepumpe hingegen kann gut mit schwankenden Quellen- und Senkentemperaturen auskommen. Die Rotations-Wärmepumpe ist fähig die Drehzahl je nach gefordertem Temperaturhub anzupassen und ist somit viel flexibler als bis anhin bekannte Wärmepumpen.
Mit dem neuen Rotordesign ergibt es eine signifikante Grössenreduzierung. Diese ermöglicht aber auch eine Erhöhung der möglichen Versorgungstemperaturen auf bis zu 200 °C und einen maximalen Temperaturhub bis zu 100 K. Dies basiert darauf, dass der Abstand zwischen Hoch- und Niederdruck-Wärmetauscher optimiert werden konnte. Aufgrund der höheren Steifigkeit des Rotors kann die Drehzahl um mehr als 100 % gesteigert werden. Um die Reibungsverluste der Luft zu minimieren, steht der ganze Block unter einem Vakuum.
Die Rotationswärmepumpe von ECOP stellt eine fortschrittliche Alternative zu konventionellen Wärmepumpensystemen dar. Ihre einzigartige Fähigkeit, hohe Temperaturhübe und flexible Leistungsregelungen zu realisieren, macht sie besonders geeignet für Anwendungen in der Prozessindustrie, in der Kühl- und Wärmeerzeugung sowie in weiteren Bereichen, in denen Energieeffizienz und Reduktion der Betriebskosten im Vordergrund stehen.
Österreichs grösstes Kraftwerk: Einblicke in das Kraftwerk Simmering (Wien Energie)
Das Kraftwerk Simmering, das grösste Elektrizitäts- und Fernwärmekraftwerk Österreichs, legt grossen Wert auf Sicherheitsvorschriften. Besucher erhalten temporäre Stahlkappenschuhe, die über den normalen Schuhen getragen werden können. Während einer zweistündigen Führung werden interessante Einblicke in die Bedeutung des Kraftwerks für die Stadt Wien geboten. Mit einer maximalen Leistung von 1.000 Megawatt (MW) versorgt das Kraftwerk die Stadt durch Fernwärme mit thermischer Energie, welche aus Abwärme der Stromproduktion durch Erdgas gewonnen wird. Die Vorlauftemperatur der Fernwärme beträgt 155°C und reicht aus, um die Hälfte der Heizungsanlagen und Industrien der Stadt zu betreiben. Durch die Abwärme wird eine Leistung von bis zu 900 MW gedeckt.
Erneuerbare Energien bieten derzeit über ein Betriebsjahr hinweg noch nicht die nötige Konstanz, um das Fernwärmenetz zuverlässig zu speisen. Daher bleibt die Abwärme des Gaskraftwerkes weiterhin die Hauptenergiequelle. Neben Erdgas werden auch Holzschnitzel verbrannt, die aktuell 60 MW zur Wärmeerzeugung beitragen. Mit selbst produziertem Strom und der Quelle gereinigtes Klärwasser, wird eine Wärmepumpe von 40 MW versorgt, welche die Wärme in die Fernwärme abgibt.
Ein markantes Bauwerk der Anlage ist der 200 Meter hohe Abgasturm, der als Symbol des bereits im Jahr 1902 erbauten Kraftwerks gilt.
Der Besuch im Kraftwerk Simmering bietet lehrreiche Einblicke in die Energieproduktion Wiens und zeigt, wie eine grosse Stadt zuverlässig mit Strom und Wärme versorgt wird.
Windenergie Forschungspark Lichtenegg: Optimale Bedingungen für Kleinwindkraftanalgen und Miteinbeziehung der Bürger in die Stromproduktion
Der Energieforschungspark Lichtenegg ist bekannt für seine speziellen Windverhältnisse, die ideale Testbedingungen für Kleinwindkraftanlagen bieten. Seit 2014 wird der Park von einer Arbeitsgruppe betrieben, die sich aus der FH Technikum Wien, der EVN AG, der Solvento und der Energiewerkstatt zusammensetzt. Das Highlight des Parks ist das grosse Windrad, dessen Rotordurchmesser 66 Meter beträgt und dessen Rotorspitze Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h erreicht. Das windige Wetter am Tag unseres Besuches schaffte optimale Voraussetzungen für den Betrieb der Windkraftanlage und um diese bis an Ihre Nennleistung von 1.8MW zu Betrieben.
Interessanterweise wurde dieses Windrad durch die Mitfinanzierung aus einer privaten Trägerschaft, von über 60 Bürgern erstellt. Die Investition konnte sich innerhalb von 9 Jahren amortisieren und wirft seitdem jährlich einen stolzen Gewinn ab. Inwiefern wäre dies für die Schweiz ein spannendes Konzept, um die Bürger mit einzubeziehen?
Ein besonderes Merkmal des Windrads ist die integrierte Aussichtsplattform, die Besuchern einen Panoramablick über den gesamten Forschungspark ermöglicht. Bei hohen Windgeschwindigkeiten kann die Rotorspitze bis zu einem halben Meter schwanken. Aufgrund des starken Regens wurde die Besichtigung der Kleinwindkraftanlagen verkürzt, jedoch bot eine Einführung im geschützten Bereich des Parks sowie ein informativer Vortrag zur Windkraft während des Mittagessens eine gelungene Ergänzung zur Exkursion.
Internationaler Wirtschaftsstandort in der Seestadt Aspern: Nachhaltige Stadtentwicklung und Prestigeprojekt
Im 22. Wiener Gemeindebezirk entsteht ein internationaler Wirtschaftsstandort, der Wohn- und Arbeitsraum für über 30’000 Menschen bietet. Der Schwerpunkt liegt auf Wohnen, Büronutzung, Dienstleistungen und Handel. Die Gesellschaft ASCR (Aspern Smart City Research), von welcher Siemens ebenfalls einen hohen Anteil hält, fungiert als Vermittler zwischen der Stadt Wien und den Unternehmen sowie Institutionen, die sich in der Seestadt ansiedeln oder in Zukunft dort aktiv werden.
Siemens verfolgt in der Seestadt Wien eine nachhaltige und innovative Strategie, um die Stadtentwicklung mit Hilfe fortschrittlicher Technologien zu fördern. Das Hauptziel ist die Implementierung smarter Infrastrukturen, die den urbanen Raum effizienter, umweltfreundlicher und lebenswerter gestalten. Siemens bringt Lösungen in den Bereichen Smart Grids, intelligente Gebäudeautomatisierung und nachhaltige Mobilität auf den Markt.
Allerdings gehört ein Teil des Projekts auch Wien Energie und der Stadt Wien selbst, was zu potenziellen Interessenkonflikten führen könnte. Ein weiterer Konfliktpunkt könnte die weitverbreitete Anbindung der Gebäude an das Fernwärmenetz sein, das von Wien Energie betrieben wird. Da diese Fernwärme aus der Abwärme aus der Stromproduktion der Wärme-Kraft-Kopplung kommt, wird diese als «grüne Wärme» eingestuft. Dabei ist der primäre Brennstoff zu über 85% gedeckt durch russisches Erdgas. Wien Energie könnte ein Interesse daran haben, den Verkauf von Fernwärme zu fördern auf hohem Temperaturniveau, was in Konflikt mit den Zielen der Nachhaltigkeit stehen könnte, insbesondere wenn erneuerbare Energien nicht verstärkt zum Einsatz kommen.
Ein alternatives Konzept, das bei der Konzeptionierung der Seestadt abgelehnt wurde, ist die Implementierung eines Anergie Netzes. Dieses Niedertemperaturnetz hätte das Potenzial, eine flexiblere und umweltfreundlichere Lösung zu bieten, indem es auf Abwärme, Erdwärme und andere regenerative Energiequellen zurückgreift. Könnte die Implementierung eines Anergie Netzes dazu beitragen, die Energieversorgung der Seestadt stärker auf erneuerbare Quellen auszurichten und damit den Weg für eine zukunftsfähige Energieinfrastruktur ebnen?
In verschiedensten Bereichen wurden «normale» Gebäude zum Forschungsobjekt erweitert. Dabei wurden die Raum-Automation maximiert, um das Benutzerverhalten integral beurteilen zu können und die sich daraus ergebenden Synergien, maximal nutzen zu können.
Inwiefern führt die zunehmende Komplexität dieser Systeme tatsächlich zu einem signifikanten Vorteil für die Umwelt, und könnte weniger manchmal mehr sein, wenn es um nachhaltige Stadtentwicklung geht? Solche Fragen müssen kritisch betrachtet werden, wenn technologische Innovation und Nachhaltigkeit wirklich im Einklang stehen sollen.
Der grösste Klima-Windkanal der Welt in Wien: Simulation extremer Wetterbedingungen auf höchstem Niveau
Wien ist Heimat des grössten Klima-Windkanals der Welt. Wir durften somit einer der technologisch fortschrittlichsten Anlagen besuchen, die für die Erforschung und Entwicklung von Fahrzeugen, Infrastrukturen und Technologien unter extremen Wetterbedingungen von unschätzbarem Wert ist. Mit einer Länge von 100 Metern und der Fähigkeit, Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h zu erzeugen, übertrifft dieser Windkanal herkömmliche Anlagen bei weitem. Er bietet nicht nur die Möglichkeit, mit Wind zu testen, sondern auch eine umfassende Bandbreite an klimatischen Bedingungen zu erzeugen, die auf der ganzen Welt vorkommen.
Der Klima-Windkanal zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er eine Vielzahl extremer Umwelteinflüsse in einer kontrollierten Umgebung realitätsgetreu nachbilden kann. Neben der Simulation starker Windstärken werden auch Sonne, Regen, Schnee, Eis und extreme Temperaturen nachgestellt, was ihn zu einer der vielseitigsten Testeinrichtungen weltweit macht. Bei unserem Besuch war ein neuer Zug im Klimakanal, wo die neuesten Komponenten getestet wurden.
Die Sonnensimulation im Windkanal reproduziert die Strahlungsintensität der Sonne mit bis zu 1000 W/m² sowie das gesamte Farbspektrum inklusive UV-Strahlung. Dies ist besonders wichtig für die Untersuchung der Auswirkungen von Hitze und Strahlung auf Oberflächen und Materialien. Ergänzt wird dies durch die Möglichkeit, Temperaturen von -45°C bis +60°C zu erzeugen.
Ein weiteres herausragendes Merkmal des Windkanals ist die Fähigkeit, Regen und Schnee in unterschiedlichen Formen zu simulieren. Eine stationäre Deckenberegnungsanlage sowie mobile Sprühgerüste und Düsen erzeugen eine Vielzahl von Niederschlagsformen, von leichtem Nieselregen bis hin zu starkem, gefrierendem Regen und Schnee.
Neben den Wetter- und Klimasimulationen bietet der Kanal auch die Möglichkeit, realistische Betriebsbedingungen zu simulieren. Verschmutzungstests mit fluoreszierenden Flüssigkeiten ermöglichen es, die Auswirkungen von Umweltverschmutzung auf Oberflächen zu untersuchen, während Besetzungssimulationen mit Heizmatten und Luftbefeuchtern die thermischen Effekte einer vollständigen Fahrzeug- oder Raumauslastung nachbilden.
Ein herzliches Dankeschön an unsere Sponsoren
Ein besonderer Dank gilt unseren grosszügigen Sponsoren, die diese wertvollen technischen Besichtigungen ermöglicht haben. Durch ihre Unterstützung konnten einzigartige Einblicke in innovative Technologien wie die Rotationswärmepumpe, Fernwärmesysteme, Windkraftanlagen und mehr gewonnen werden. Dank ihres Engagements konnten spannende Erfahrungen vor Ort gesammelt werden, die nicht nur das Verständnis für moderne Energielösungen vertiefen, sondern auch den Weg für zukünftige Entwicklungen ebnen. Ohne die wertvolle Unterstützung unserer Sponsoren wäre diese lehrreiche Reise nicht möglich gewesen.