Die Studienreise nach Warschau, welche durch Michael Derrer, Unternehmensberater für Osteuropa und Dozent an der Hochschule Luzern – Wirtschaft, vorbereitet wurde, erlaubte den Studierenden den Entwicklungsstand des aufstrebenden Landes Polen kennen zu lernen.
Das Programm bestand aus einer Mischung verschiedener Lernformen. In Vorträgen zur Geschichte und Politik wurde uns Polens langer Kampf zur Selbstbestimmung bewusst. Als tragischer Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen nationalsozialistischer Skylla und stalinistischer Charybdis wurde die Stadt Warschau vor 70 Jahren vollständig zerstört. Und es ist erst 25 Jahre her, seit sich die Polen das Privileg einer selbstständigen Entwicklung erkämpfen konnten.
Die Frage, ob sich Polen eine liberale Wirtschaftsordnung geben oder stattdessen an der sozialen Marktwirtschaft orientieren soll, stellte sich vor zwei Jahrzehnten und bleibt bis heute aktuell. In einem eigens für uns veranstalteten Streitgespräch debattierten liberale Ökonomen die Erfolge und Herausforderungen des polnischen Wirtschaftsmodells. Dieses setzt auf die Integration in die europäischen Strukturen, das Anziehen ausländischer Investitionen und eine rege Exporttätigkeit. Der Druck auf die Referenten war spürbar. Die Präsidentschaftswahlen im Sommer und die Wahlen für den polnischen Sejm im Oktober haben zu einem Machtwechsel geführt und die Liberalen sind heute in der Defensive. Polens Besonderheit ist, dass soziale Anliegen nicht von den (unterdessen fast inexistenten) Parteien aus dem linken Spektrum vertreten werden, sondern auf dem Wahlprogramm der konservativen Wahlsieger standen.
Die Schweiz unterstützt Polens Reformprozess seit vielen Jahren. Der Schweizer «Erweiterungsbeitrag» wurde uns durch den Leiter des lokalen Koordinationsbüros, Herrn Roland Python, in einem Vortrag mit persönlicher Note vorgestellt. Die anschliessenden Präsentationen von drei lokalen NGOs, die dank diesen Schweizer Geldern funktionieren, vermittelten uns einen Einblick in aktuelle Herausforderungen der polnischen Gesellschaft. Weitere Blickwinkel auf den Transformationsprozess ergaben sich aus den Besuchen beim Finanzministerium und bei einer Bezirksverwaltung.
Durch den starken Franken hat die Tendenz zur Verlagerung immer grösserer Teile der Wertschöpfungskette von Schweizer Unternehmen ins Ausland eine besondere Aktualität erlangt. Der Besuch des lokalen Produktionsbetriebs von FRANKE Küchen und der anschliessende Vortrag seines charismatischen Geschäftsführers, Herrn Marek Szymanski, liess uns Chancen und Schwierigkeiten der Produktion im Ausland erkennen.
Auch wenn es stimmt, dass «Język polski jest skomplikowany.», die polnische Sprache also schwierig ist, konnte die sympathische Sprachlehrerin in den morgendlichen Lektionen den Studierenden einige Wörter und Wendungen vermitteln, die den Zugang zur fremden Kultur erleichtern. Auch über die traditionelle polnische Küche und den Besuch der für Warschau typischen «Milchbars» tauchten wir in die lokale Kultur ein. Dank den auf Originalität bedachten Stadtführern wurde die Gruppe an Orte gelotst, die den Teilnehmenden herkömmlicher Stadtbesichtigungen verborgen bleiben.
Die Studierenden waren nicht nur passive Beobachter – sie erstellten auf der Grundlage eines Dossiers mit aktuellen Artikeln selbständig eine SWOT-Analyse für das Land Polen. In einer Gruppenarbeit verfassten sie Konzepte für das Marketing polnischer Regionen oder konzipierten ein Projekt mit sozialer Zielsetzung. In einer sich globalisierenden Welt ist die internationale Ausrichtung der Studiengänge Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere unserer Absolventinnen und Absolventen.
Michael Derrer