Eingebettet in das Innotour-Projekt „Sanfte Mobilität in alpinen Destinationen“ organisierten das Büro solerworks.ch und das Kompetenzzentrum Mobilität des Instituts für Tourismuswirtschaft ITW eine Fachexkursion, welche die Teilnehmenden zum Bürgerbus an den Chiemsee in Südbayern sowie in die europaweit für nachhaltigen Mobilitätsprojekte bekannte Destination Werfenweng im Salzburgerland führte. Ziel dieses Bildungsausflugs für Interessierte aus Forschung und Praxis war die Inspiration für eigene Projekte durch das Kennenlernen von Best Practice Beispielen sowie den fachlichen Austausch mit den Verantwortlichen. Zudem wurde während der Exkursion ein Film gedreht, der in Zukunft im Rahmen der Ausbildung insbesondere an Fachhochschulen in den Themenbereichen Nachhaltigkeit, Mobilität und Tourismus zum Einsatz gelangen wird.
Der Bürgerbus Chiemsee ist ein hervorragendes Beispiel für eine Initiative ‚von unten‘. Der ‚reguläre‘ öffentliche Regionalverkehr zwischen den Gemeinden rund um den Chiemsee ist teilweise nur dank hohem Schülerverkehrsaufkommen finanzierbar. Wo kein Schülerverkehr existiert, besteht eine Lücke im Angebot. Aus einer Initiative von Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der lokalen Agenda 21 um die Jahrtausendwende entstand die Idee eines von ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern betriebenen Bürgerbusses. Seit 2003 verkehrt der Bus fahrplanmässig zwischen mehreren Gemeinden in der Region und deckt damit in erster Linie Freizeitbedürfnisse wie Ausflüge oder Besorgungen ab. Nicht zu unterschätzen ist dabei die soziale Rolle, die der Bürgerbus einnimmt; sind doch sowohl die Fahrerinnen und Fahrer wie auch die Mehrheit der Fahrgäste im Pensionsalter. Finanziell getragen wird der Bürgerbus – neben der ehrenamtlichen Tätigkeit der Fahrer/-innen – durch die Fahrgeldeinnahmen und Beiträge der öffentlichen Hand, wobei die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit unkompliziert erfolgt und das Projekt grossen Rückhalt in Politik und Bevölkerung geniesst. Bürgerbusse sind eine interessante und finanziell tragbare Lösung mit einem potenziell hohen sozialen Wert für Gebiete, in denen der öffentliche Verkehr Lücken im Angebot aufweist. In der Schweiz besteht daher in erster Linie ein Potenzial in ländlichen Gebieten in den Alpen und Voralpen und/oder zu Randzeiten.
Zweite Station der Exkursion war die österreichische Feriendestination Werfenweng, die sich mit ihrer Ausrichtung auf nachhaltige Mobilität ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen hat. Das Hauptprodukt, die SaMo-Karte, wird von den teilnehmenden Übernachtungsbetrieben (derzeit ca. 80% der Gästebetten) an ihre Gäste ausgehändigt, sofern diese autofrei anreisen oder ihren Autoschlüssel während des Aufenthalts im Tourismusbüro ‚parkieren‘. Die Karte berechtigt zur kostenlosen Benützung einer ganzen Palette von sanft mobilen Angeboten. Beispielsweise stehen mehrere Elektroautos bereit, um Ortschaft und Umgebung zu erkunden. Auch ein Ortstaxi oder das Werfenweng-Shuttle für Ziele ausserhalb des Dorfes – insbesondere den Transfer zu den Knoten des öffentlichen Verkehrs – stehen jederzeit zur Verfügung. Elektroautos, Ortstaxi und Shuttle werden mit in eigenen Solarkraftwerken produziertem Strom betrieben. So wird beispielsweise die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr inklusive Gepäcktransport laufend optimiert.
Die Elektromobilität alleine genügt jedoch nicht, wie Bürgermeister Peter Brandauer betont: „Es genügt nicht, einfach ein autofreier Ort zu sein. Man muss ein Modellort für Nachhaltige Entwicklung werden und verschiedene nachhaltige Mobilitätsarten einbeziehen.“ So wird beispielsweise die Anreise mit dem öffentlichen Verkehrt inklusive Gepäcktransport laufend optimiert. Weitere Projekte wie die Biomassen-Fernwärmeversorgung oder das umfangreiche Angebot an lokalen Produkten unterstreichen die Glaubwürdigkeit von Werfenweng als ‚nachhaltige‘ Destination. Es war jedoch nicht primär der Umweltgedanke, der Werfenweng zu seinem heutigen Profil brachte. In den 1990er Jahren kämpfte die Destination mit sinkenden Gästezahlen, und der beinharte Wettbewerb in der Region erforderte eine klare strategische Neupositionierung. Auch der Zufall redete ein Wörtchen mit: Das Österreichische Umweltministerium suchte und förderte zu dieser Zeit Modellgemeinden für nachhaltigen Tourismus. Werfenweng packte die Gelegenheit beim Schopf und schaffte den Turnaround. Die Arbeit geht den Verantwortlichen jedoch noch lange nicht aus. Eine Herausforderung sind derzeit beispielsweise die meist mit dem Auto anreisenden Tagesgäste, die ein hohes Verkehrsaufkommen generieren. Angesichts des grossen und anhaltenden Erfolgs und der steigenden Bedeutung der nachhaltigen Mobilität insgesamt erstaunt es eigentlich, dass Werfenweng bis zum heutigen Tag einzigartig geblieben ist.