Overview
Zahnbürsten, elektronische Geräte oder Outdoorjacken – unsere Artefakte sind zumeist komplexe Konglomerate verschiedenster Werkstoffe. In einem linearen System ist diese werkstoffliche Komplexität zweitrangig, weil die Artefakte am Ende ihres Lebenszyklus typischerweise thermisch verwertet oder deponiert werden. Im Gegensatz dazu wird diese Komplexität in einer Kreislaufwirtschaft zur Herausforderung: denn die verschiedenen Werkstoffe, die in einem Artefakt vereint sind, müssen in aufwändigen Prozessen fraktioniert werden können. Eine grösstmögliche Reinheit innerhalb einzelner Werkstoffströme ist zudem ausschlaggebend für die Qualität und die Recyclingrate des Sekundärrohstoffes.
Die Designstrategie Monomaterial ist im Kontext von Werkstoffkreisläufen vielversprechend: Bestehen Artefakte aus einem einzigen Werkstoff können sie im besten Fall direkt in einen bestehenden Werkstoffkreislauf zurückgeführt werden und eine grösstmögliche Reinheit im Hinblick auf den Sekundärrohstoff kann entscheidend unterstützt werden.
Eine Beschränkung auf einen Werkstoff bei der Gestaltung von Artefakten erscheint aus der Perspektive von Designer:innen zunächst unattraktiv – Designer:innen verwenden unterschiedliche Werkstoffe um ästhetisch oder funktional nutzbare Kontraste in Artefakte einzubringen. Bei näherer Betrachtung der Beschränkung auf einen einzigen Werkstoff eröffnet sich jedoch ein spannendes Potenzial für das Design: entlang spezifischer Formgestaltung und unter Nutzung verschiedener Verfahren im Herstellungsprozess kann eine vielfältig nutzbare Designvarianz in einem Werkstoff erreicht werden.
Die Thesis beleuchtet werkstoffliche Komplexität im Kontext von linearen und zirkulären Systemen der Technosphäre und betrachtet Strategien der Biosphäre im Umgang mit Komplexität und Varianz aus der Perspektive des Designs. Zudem wird die Designstrategie Monomaterial entlang der von der Innosuisse finanzierten Machbarkeitsstudie ‘Textile Waste 3D-Printing’ der Forschungsgruppe Produkt und Textil anwendungsorientiert am Beispiel von textilem Polyester exemplarisch überprüft. Das Projekt nutzt dabei den Kontrast ‘solide-flexibel’ als Gestaltungsmittel zur Erreichung von Varianz in einem Werkstoff: additiv gefertigten, solide Applikationen aus Polyester verbinden sich ausschliesslich durch die Hitzeeinwirkung im Prozess mit dem flexibeln textilen Polyester. So wird eine vielfältig ästhetische und funktional nutzbare Varianz in einem Werkstoff erzielt, welche ein breites Anwendungspotenzial im Bereich textiler Produkte eröffnet und gleichzeitig eine Kreislauffähigkeit am Ende des Lebenszyklus dieser Produkte gewährleistet.
Lea Schmidt promoviert seit August 2020 in Kollaboration mit der Technischen Universität Dresden an der Fakultät Maschinenwesen, Professur für Technisches Design. Die Dissertation wird von Prof. Dr. Jens Kryzwinski als Erstbetreuer und Prof. Dr. Andrea Weber Marin als Zweitbetreuerin begleitet.