Was hat Sie dazu bewogen, ein Field Practice in Kolumbien zu machen?
Ich hatte von der Möglichkeit solcher Praxisauslandeinsätze gehört und ein solches «gluschtete» mich sofort. Südamerika kannte ich schon von früheren Reisen her, aber in Kolumbien war ich noch nie gewesen, und so reizte mich dieses Land besonders. Die Hochschule Luzern stellte mir eine Liste mit möglichen Projektpartnern für ein Field Practice zur Verfügung; darunter war aber keine Organisation in Kolumbien. Deshalb fragte ich direkt bei Interteam Luzern, einem Schweizer Hilfswerk für Entwicklungszusammenarbeit, nach einer Praktikumsstelle. Und so klappte es dann glücklicherweise mit einem Job bei der Umweltschutzorganisation «Planeta Azul» in der Hafenstadt Cartagena de Indias im Norden des Landes.
Was waren Ihre Aufgaben?
Cartagena de Indias gilt als eine der schönsten Städte Südamerikas, doch ein Viertel der rund eine Million Einwohner lebt in Armut. Durch die Stadt fliesst der Fluss Juan Angola. Leider ist dieser sehr verdreckt, die Wasserqualität bedenklich. Planeta Azul hat sich zum Ziel gesetzt, Umweltschutz und nachhaltige soziale Entwicklung in den Quartieren entlang des Flusses zu fördern, und setzt dabei auf drei Säulen: Bildung, Zusammenarbeit mit der Politik sowie Förderung von lokalen Kleinunternehmen. Der Fokus liegt dabei stets auf der Sensibilisierung für den Umwelt- und Gewässerschutz.
Ich habe eine Erstausbildung als Lehrerin absolviert und war deshalb in Cartagena vor allem im Bildungsbereich tätig. Die jungen Menschen als Generation der Zukunft sollen für den Umweltschutz gewonnen werden und als Multiplikatoren ihr Umfeld über umweltbewusstes Verhalten aufklären. Ich begleitete zum Beispiel Schülerinnen und Schüler bei Hausbesuchen von Tür zu Tür, bei denen sie ihre Nachbarinnen und Nachbarn über Recycling und den korrekten Umgang mit Abfall informierten. Ich nahm aber auch an den wöchentlichen Sitzungen mit den Rektoren der Schulen, welche die Jugendlichen besuchten, teil, gestaltete mit den jungen Leuten Projekte oder half bei der Organisation von Anlässen in den Quartieren mit. Es kam auch vor, dass ich bei Gesprächen mit dem Bürgermeister dabei war. Da ich während meines Erststudiums an der Pädagogischen Hochschule Luzern acht Monate lang in Costa Rica in einem Kindergarten gearbeitet hatte, war die Sprache kein Hindernis.
Was waren in beruflicher Hinsicht die grössten Unterschiede zwischen Kolumbien und der Schweiz?
In Kolumbien sitzt man wenig allein am Schreibtisch; es wird vieles im Team gemacht, entsprechend gibt es viele Sitzungen. Eine Menge Kommunikation läuft über WhatsApp auf dem Berufshandy, der Austausch ist unkompliziert. Verbrauchsmaterialien wie etwa Papier muss man gut einteilen, damit es reicht. Auch sonst sind mangelnde Ressourcen ein Thema: Bei Schulungen übernahm Planeta Azul den Transport zum Schulungsort und das Znüni der Jugendlichen.
Wurden Ihre Erwartungen an das Field Practice erfüllt?
Auf jeden Fall. Ein solcher Einsatz ist ein Input fürs Leben. Es war mir wichtig, bei einem Projekt von Einheimischen für Einheimische mitzumachen. Ich wollte nicht nach Kolumbien gehen, um den Menschen dort die Welt zu erklären, sondern um von ihnen lernen, wie ihre Realitäten sind. Mit dem Projekt von Planeta Azul habe ich das erreicht. Ich würde alles wieder genau gleich machen.
Nach diesem Aufenthalt war ich auch wieder dankbarer für Dinge wie Gesundheit oder Sicherheit, die wir hier in der Schweiz als selbstverständlich ansehen, die es aber in anderen Erdteilen überhaupt nicht sind.
Welchen Rat geben Sie Studierenden, die vor der Entscheidung für einen solchen Praxisauslandeinsatz stehen?
Der Entscheid braucht etwas Mut, aber man wird reichlich belohnt, denn ein solcher Aufenthalt ist eine riesige Bereicherung. Wichtig ist, dass man sich das Projekt, in dem man arbeiten möchte, sorgfältig aussucht. Die Haltung muss sein: Ich komme, um etwas zu lernen. Und nicht: Jetzt bringe ich euch etwas bei. Das Ziel ist ein Austausch. Man sollte dazu bereit sein, aus den gewohnten Strukturen auszubrechen und die Dinge anzunehmen, wie sie sind – und das als Chance sehen.
Juni 2020
Portrait Eliane Vera Keller
Eliane Vera Keller studiert Sozialarbeit an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und arbeitet daneben 60 Prozent in der Sozialberatung des Paraplegikerzentrums Nottwil. 2018 absolvierte sie ein neunwöchiges Field Practice in Kolumbien. Im Sommer 2020 schliesst Eliane Keller ihr Studium mit dem Bachelor ab. Anschliessend möchte sie ein Master-Studium in Angriff nehmen.
Module zur Internationalisierung
Die Module 150 Field Practice und 160 Auslandssemester ermöglichen Studierenden im Rahmen ihres Studiums der Sozialen Arbeit, einen längeren Auslandsaufenthalt zu machen.
Während im Modul 150 Field Practice ein Einsatz in einer Praxisorganisation im Rahmen von mindestens neun Wochen stattfindet, besteht im Modul 160 Auslandssemester die Möglichkeit, an einer der Partnerhochschulen der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit ein Auslandssemester zu absolvieren.
Die Praxisorganisationen im Modul 150 Field Practice werden gemeinsam mit den Modulverantwortlichen Annette Dietrich und Ivica Petrušić sorgfältig überprüft. Sie sind für die Studierenden während des Field Practice die erste Ansprechperson der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Die gemachten Erfahrungen werden in einem Auslandbericht und einem Aftermathworkshop reflektiert.
Im Modul 160 Auslandssemester werden Module an der Partnerhochschule ausgewählt, die das eigene Portfolio gut ergänzen. Gemeinsam mit dem Modulverantwortlichen Johannes Küng werden die Module der Partnerhochschule auf die Vergleichbarkeit mit den Modulen der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit geprüft.
Beide Module eröffnen spannende, vielseitige und interessante Erfahrungen der Sozialen Arbeit im Ausland.