Anette Eldevik
Auf diese und andere Fragen findet die Master-Arbeit von Gina Meyer mit dem Titel «Auf dem Weg zu einer adressaten/-innengerechten Behördenkommunikation» hilfreiche Antworten.
Fest steht: Es gibt trotz vieler Reformen immer noch Handlungsbedarf. Das Thema Verständlichkeit ist nicht nur in der Fachliteratur zentral, sondern bestätigt sich auch in den Interviews der Autorin mit Sprachforscherinnen, einer Kommunikationsexpertin, einer Leiterin einer Sozialberatungsstelle sowie vor allem mit Direktbetroffenen.
Zum Sprachniveau von «Behördisch»
Im «Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprache» ist die Behördenkommunikation auf der Stufe C1 einzuordnen. Problematischerweise übersteigt sie dadurch das durchschnittliche Sprachniveau einer Bevölkerung, das gemäss Forschung etwa in Deutschland bei B1 bzw. B2 liegt. Auch in der Schweiz sind rund 800’000 Menschen nicht in der Lage, zusammenhängende Texte und schematische Darstellungen zu verstehen.
Die Zielgruppe wird also oft nicht erreicht.
Die komplizierte Sprache von Verwaltungen ist bei Weitem kein neues Phänomen und war in der Vergangenheit klarer Ausdruck des Machtverständnisses der Behörden gegenüber der Bevölkerung. Laut Forschung klinge nach wie vor ein «hochherrschaftlicher Duktus» in der Behördenkommunikation nach. In der Gegenwart hat das umständliche «Behördisch » moderner Verwaltungen aber vor allem mit ihrer rechtlichen Absicherung zu tun und mit der Befürchtung, dass die juristische Korrektheit beim Übersetzen in Alltagssprache bzw. in «Einfache» oder «Leichte Sprache» verloren gehen könnte.
Leitfaden mit Tipps
In der Abteilung Behindertenhilfe in Basel-Stadt, in der die Autorin als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist, ist seit 2017 ein Systemwechsel in Gang. Im Sinne der UNO-Behindertenrechtskonvention sollen auch Inhalte und Kommunikationsmittel an die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigung angepasst werden. Die Erkenntnisse, die Meyer in diesem Zusammenhang und in ihrer Master-Arbeit gewonnen hat, lassen sich aber sehr gut auf andere Zielgruppen und Behörden übertragen. Aus diesem Grund hat sie einen kurzen Leitfaden zur konkreten praktischen Umsetzung zusammengestellt, der allen Interessierten zur Verfügung steht.
Mehr Bedürfnisorientierung und weniger Briefe
Welches waren nun die wesentlichen Ergebnisse? Aus Sicht der Direktbetroffenen sollte insbesondere die allenthalben dominierende schriftliche Kommunikation der Ämter überdacht werden. Telefonate und Vor-Ort-Termine seien zumindest als Ergänzung zu Briefen sinnvoll, da mündliche Kontakte vertrauensbildender wirken. Bei schriftlichen Dokumenten könnte schon ein gut gegliederter Text mit Zwischentiteln und kurzen Sätzen helfen, genauso wie der Verzicht auf Fremdwörter und komplizierte Wendungen. Hilfreich sei zudem der Einsatz von Visualisierungen sowie von modernen Kommunikationsmitteln wie barrierefreie Webseiten. Darüber hinaus sollte man sich grundsätzlich auch viel mehr an den Bedürfnissen und Voraussetzungen der Adressaten/-innen orientieren. Mehr Perspektivenwechsel, mehr Sensibilisierung und Dienstleistungsorientierung wären somit nach wie vor sehr wünschenswert. Interne Schulungen, Checklisten sowie die externe Überprüfung der Kommunikationsmassnahmen durch Peer-Experten und –Expertinnen hätten sich dabei bewährt.
Es ist der Autorin bewusst, dass solche Anpassungen mit Aufwand verbunden sind und auch Unsicherheiten auslösen können. Es lohne sich jedoch, da die höhere Zufriedenheit der Klientinnen und Klienten nicht nur die Effizienz der Prozesse steigere, sondern – viel wichtiger – langfristig das Vertrauen in die Behörden. Kurzum: Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten wäre möglich.
Weitere Informationen zur Arbeit
Die Arbeit von Gina Meyer kann hier heruntergeladen werden:
DOI 10.5281/zenodo.3685618
Für Rückfragen oder zum Anfordern des Leitfadens: gina.meyer@gmx.ch
Transformation gestalten – Das Master-Studium in Sozialer Arbeit
Diese Abschlussarbeit ist im Rahmen des Masters in Sozialer Arbeit entstanden. Das Master-Studium ermöglicht Fachleuten aus der Sozialen Arbeit eine optimale Positionierung für anspruchsvolle Aufgaben in Praxis, Forschung sowie Lehre und eröffnet neue berufliche Aussichten. Der Master in Sozialer Arbeit ist eine Kooperation der Fachhochschulen Bern, Luzern und St. Gallen. Neben den Basismodulen bieten die Standorte thematische Schwerpunkte zur individuellen Profilschärfung. Mit dem Projektatelier und der Forschungswerkstatt sowie in der Masterarbeit können Studierende aktuelle Fragen aus der Praxis bearbeiten und ihre Forschungshandwerk erproben und schärfen.
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