Für die Beantwortung ihrer Forschungsfragen haben die Verfassenden Leitfadeninterviews mit den clubbezogenen Fanverantwortlichen und den sozioprofessionellen Fanarbeitenden von fünf Deutschschweizer Fussballvereinen geführt und eine qualitative Auswertung vorgenommen. Die clubbezogene Fanarbeit fokussiert auf die Beziehung zwischen den Vereinen und ihren Fans und die clubbezogenen Fanverantwortlichen sind direkt dem jeweiligen Fussballverein unterstellt. Sie sind zudem meist nur an den Fussballspielen selbst anwesend. Die sozioprofessionelle Fanarbeit ist im Gegensatz dazu eine berufliche Tätigkeit, welche die Methodik der Sozialen Arbeit im Umfeld der Sportfans anwendet. Sie verfolgt verschiedene Ziele, wie beispielsweise die Eindämmung von Konflikten, die Förderung des Selbstwertgefühls der Fans oder den Abbau von Vorurteilen, Feindbildern und extremistischen Orientierungen. Die sozioprofessionellen Fanarbeitenden sind für unabhängige Fanarbeitsvereine tätig, die meist von Städten, Kantonen und den Fussballvereinen gemeinsam finanziert werden. Der Dachverband Fanarbeit Schweiz bündelt die Interessen aller Fanarbeitsvereine.
YB leistet Pionierarbeit
Die Auswertung der Interviews ergab, dass in allen Fanszenen die Männer stark in der Überzahl sind. Einzig der FC Zürich (FCZ) und die Young Boys (YB) aus Bern verzeichnen einen starken Zuwachs an weiblichen Fans. Allgemein scheint Bern in vielen Bereichen Pionierarbeit zu leisten: Als einziger untersuchter Club verfügt YB über zwei rein weiblich besetzte Fangruppierungen sowie einen Fanclub für homosexuelle Personen. Beim FCZ ist die Fanszene gemäss den Aussagen der Fanarbeitenden multikulturell, heterogen und durchmischt – jedes Milieu und jede Hautfarbe sind vertreten. Bei den anderen Vereinen sieht das Bild ein wenig anders aus: Die Fanszenen sind oft schweizerisch geprägt und es gibt nur wenige Fans mit Migrationshintergrund. Als Frau ist es fast unmöglich, im «harten Kern» der Fanszene akzeptiert zu werden und Frauen werden häufig als Lustobjekt angesehen. In Bezug auf Genderkompetenz – darunter versteht man die Fähigkeit, die eigene Arbeit geschlechterbewusst und gleichstellungsorientiert gestalten zu können – ist das Wissen der Fanarbeitenden sehr unterschiedlich. Der Mehrheit der Befragten sind Gendertheorien nur implizit bewusst und sie fliessen daher eher unbewusst in die Fanarbeit ein. Mit ein Grund dafür kann sein, dass in keinem Fanarbeits-Konzept Handlungs- oder Bewältigungsstrategien zum Abbau von Geschlechterstereotypen oder Sexismus explizit erwähnt werden.
Plädoyer für einheitliche Ausbildung in Gender-Bereich
Aufgrund der Erkenntnisse aus den Interviews empfehlen Niederhauser, Schumacher und Zambaldi dem Dachverband Fanarbeit Schweiz, ein Gender-Haltungspapier zu erarbeiten, um den Fanarbeitenden eine Grundlage in Bezug auf die methodische Gender-Arbeit zu geben. Ergänzend schlagen sie Kampagnen zum Thema Antisexismus vor und plädieren für die Einführung einer geschlechterneutralen Sprache auch beim Schweizerischen Fussballverband. Zudem sollten die Anstellungsbedingungen und die Ausbildungskonzepte von Fanverantwortlichen und Fanarbeitenden vereinheitlicht werden – momentan wird dies von jedem Verein anders gehandhabt. Denn die Verfassenden resümieren: «Stereotypisierung, Diskriminierung und Sexismus innerhalb der Szene sind die Regel, deshalb braucht es Methodenkompetenzen, um diesen entgegenzuwirken. Die Gender-Thematik sollte unbedingt in die Ausbildung von Fanarbeitenden und -verantwortlichen eingebaut werden, um deren Gender-Kompetenz und Selbstreflexion zu fördern.»