1950
Die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK wird zur Unterzeichnung aufgelegt und 1974 unter Vorbehalt von der Schweiz ratifiziert.
1952
Die Schulleiterin Emma Keller führt nach einem Weiterbildungsaufenthalt in den USA33 an der Schweizerischen Sozial-caritativen Frauenschule Luzern die Methode des Social Work nach amerikanischem Vorbild ein.34 Dies bedeutet die Abwendung der Ausbildung nach Logik der Alice-Salomon-Schule und damit eine markante Neuorientierung der Schule. Das gewandelte Selbstverständnis findet Niederschlag in der Umbenennung der Ausbildungsstätte von der Schweizerischen Sozial-caritativen Frauenschule in die Soziale Frauenschule Luzern SFL.
Das Fürsorgewesen beginnt sich zu professionalisieren. Um den Schritt von der katholisch-konservativen sozial-caritativen Ausrichtung der Ausbildung hin zur professionellen Sozialen Arbeit nach amerikanischem Vorbild zu vollziehen, werden in Luzern im christlich-sozialen Milieu die Vorbereitungen zur Gründung einer Schule (Fürsorger-Abendschule) an die Hand genommen.
1. Bundesbeschluss zur Subventionierung der Schulen für Sozialarbeit.
Historische Vignette
1952 Jenseits von «ererbt» und «erworben»
«Jede einzelne Menschenseele geht aus Gottes Händen hervor. Dem widerspricht keineswegs, dass es angeborene und milieubedingte Eigenschaften gibt. Aber wahrscheinlich treffen sie nicht das innerste Wesen. Alles Ererbte, Angeborene, aber auch alles Erworbene, Anerzogene betrifft nur die äussere, die Oberflächenschicht des Menschen. Sein tiefster persönlicher Kern liegt jenseits von ‹ererbt› und ‹erworben›. Dem entspricht die höhere Aufgabe jeder echten Eheberatung: Nicht nur ‹schlechte› Eigenschaften zu vernichten, sondern dem Menschen dazu zu verhelfen, dass er sein innerstes Wesen verstehen, aus ihm leben lernt.
Die Schulung der Jugend zu künftigen Vätern und Müttern ist eine grundlegende Vorsorgemassnahme. Jeder junge Mann und jede junge Frau sollen wissen, dass die wichtigste Erziehungsanstalt das gesunde Elternhaus ist. Im Elternhaus müssen die treibenden ‹wilden Schosse› abgeschnitten werden, später ist es zu spät. All die vielen Missstände, liederliche Ehemoral, Arbeitsscheu, Vagabundieren, Diebstahl, kurz die Versäumung der Pflichten gegen Gott und den Nächsten, sie alle haben ihren gemeinsamen Nährboden in einer schlechten Erziehung, hervorgerufen durch mangelhaften religiösen Familiensinn.
Die Erziehung ist eine fruchtbare Saat, die teils schon bald ihre Früchte trägt, teils aber dann noch reift, wenn die Hand, die sie gestreut, schon längst vermodert ist. Das Seelenheil der Kinder, die Blüte der Kirche, die Wohlfahrt der Familie und des Staates, die Gegenwart und Zukunft der gesamten Menschheit hängt davon ab, wie die Eltern ihres von Gott gesetzten Berufes walten.
Starke Familie = starkes Volk = starkes Vaterland!»
Seraphine Weibel
Absolventin Schweizerische Sozial-caritative Frauenschule Luzern
Quelle
Weibel, Seraphine (1952). Familienforschung und Fürsorge. Dargestellt an Familie Eifer während der Unterstützungsdauer 1867 – 1952. Diplomarbeit an der Schweizerischen Sozial-caritativen Frauenschule Luzern.
1954
Die Spannungen zwischen Befürworterinnen qualifizierender Berufsarbeit für Frauen nach amerikanischem Vorbild auf der einen Seite und Befürworterinnen klassischer sozialer Frauenarbeit auf der anderen Seite nehmen zu. Die Fronten verlaufen nicht eindeutig. Verschiedene Menzinger Lehrschwestern fördern aktiv die professionellen amerikanischen Methoden, während auf der anderen Seite emanzipatorische Ansätze aus den Reihen der Laien-Dozentenschaft abgelehnt werden. Aufgrund der Konflikte im Leitungsgremium der Sozialen Frauenschule Luzern tritt die Schulleiterin Emma Keller zurück.
Hildegard Bieri, Dr. iur., übernimmt die Leitung der Sozialen Frauenschule Luzern (bis 1957) und leitet erste Schritte zu einer späteren Abkehr von der Definition Sozialer Arbeit aus dem Katholizismus hin zur Ausrichtung an den Grundlagenwissenschaften ein.
Mit der Umstrukturierung des Lehrplans steht an der Sozialen Frauenschule Luzern die Soziale Einzelhilfe – Casework – zum ersten Mal auf dem Programm. Die Ausbildung in bürotechnischen Fertigkeiten wird reduziert zugunsten der Einführung von neuen Fächern wie Psychohygiene, Psychopathologie, Tiefenpsychologie, die fortan zur «natürlichen Begabung der Frau» gezählt werden.
1955
Die Fürsorger-Abendschule Bern wird eröffnet.
1957
Schwester Allessandra Zimmermann, Dr. rer. pol., übernimmt für zwei Jahre ad interim die Schulleitung an der Sozialen Frauenschule Luzern.
1958
Der Schweizerische Katholische Frauenbund SKF spricht sich erstmals für das Frauenstimmrecht aus.
1959
Carmen Duft, Dr. oec. publ., übernimmt die Leitung der Sozialen Frauenschule Luzern (bis 1965).43 Der rasche Wechsel der Schulleitungen zeigt eine Krise und das vorläufige Ende der Idee einer sozialen Frauenschule an.
Die Ausbildung an der Sozialen Frauenschule Luzern wird von zwei auf zweieinhalb Jahre verlängert. Es wird Zeit für die Professionalisierung der Sozialen Arbeit und für entsprechende Ausbildungsgänge. Im Reglement von 1959 werden die Dozierenden darauf hingewiesen, dass sie sich an Erwachsene richten und deshalb aktive Lehrmethoden zum Einsatz bringen sollen.
In Bern wird die Frauenschule der Stadt Bern gegründet.
Der erste Heimhelferinnen-Kurs wird in Luzern gegründet. Die Heimerzieher-Ausbildung befindet sich in der Schweiz in den 1950er-Jahren in einem berufspolitischen Vakuum: Es herrscht Partikularismus, es gibt keine Einigung auf gemeinsame Standards und keinen Dachverband.