1943
Mit dem 25-Jahr-Jubiläum26 erhält die Sozialcaritative Frauenschule Luzern die staatliche Anerkennung durch den Kanton. Lehrplan, Zulassungsbestimmungen und Prüfungsreglement unterliegen der Genehmigung durch den kantonalen Erziehungsrat. Das zeugt davon, wie stark Emma Keller in den ersten zehn Jahren ihrer Tätigkeit in Richtung Professionalisierung gewirkt hat.
Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs wird die Schule im Zeichen der Geistigen Landesverteidigung konsequent Schweizerische Sozial-caritative Frauenschule Luzern benannt.
Historische Vignette
1943 «Der gute Wille ersetzt das solide Wissen nicht»
«Unerreicht steht die Frau auf dem Felde der Caritas. Das ist so recht ihre Domäne, wo sie naturgemäss die Führung übernimmt. Alle fraulichen Eigenschaften weisen auf die Ausübung der Caritas hin: der Sinn für die Einzelheiten und Konkretheiten des Lebens, das mitfühlende, mitleidende Herz, die feine zarte Hand, die keine Wunden reisst, sondern sie lindert und heilt. Caritas ist weit mehr als Organisation, ist weitgehend Krankendienst, Heilung der wirtschaftlich oder sozial Schwachen und Kranken.
Die sozial-caritative Veranlagung ist ein kostbares frauliches Angebinde. Es reicht aber nicht aus. Der gute Wille, das gute Herz allein tun es nicht. Es muss ein Wissen hinzukommen. Denn das sozial-caritative Arbeitsfeld hat sich ungemein erweitert, differenziert, spezialisiert. Eine Wissenschaft ist daraus geworden, die gründlich erlernt werden will. Wie auf allen übrigen Wissensgebieten ersetzt der gute Wille das solide Wissen nicht.
Zum Wissen gesellt sich ein Können. Denn es handelt sich nicht nur um eine theoretische, spekulative Wissenschaft, die sich mit metaphysischen Theorien begnügt, sondern um ihre Anwendung auf die Notwendigkeiten und Zufälligkeiten der fliessenden Wirklichkeit. Der eherne Turm der Grundsätzlichkeit muss eine Leuchte sein, die ihr Licht in das wogende, ringende Leben aussendet.
Darum ist Schulung notwendig. Schulung, die das Wissen vermittelt und die Sicherheit des Wissens. Aus diesen Erwägungen ist unsere Sozial-caritative Schule entsprungen: Ein Leuchtturm.»
Paul de Chastonay
Zum 25-Jahr-Jubiläum der Sozial-caritativen Frauenschule Luzern
Quelle
De Chastonay, Paul (1943). Unsere Sozial-caritative Frauenschule. Gedanken eines alten Freundes zu ihrem 25jährigen Bestehen,
in: Die katholische Schweizerin. Zeitschrift für Frauenart und Frauenwirken, 30. Jg., Nr. 6, 20. März 1943, S. 145 – 148.
* De Chastonay 1943, S. 146, 147
Historische Vignette
1943 «In der Gebrechlichenfürsorge» *
«Als Sozialschülerin dachte ich wenig an die Aufgaben der Anormalenfürsorge. 1937 durfte ich die Arbeit auf der Fürsorgestelle Pro Infirmis Luzern übernehmen. Seither haben 1350 geistig oder körperlich gebrechliche Menschen: Taubstumme, Schwerhörige, Körperbehinderte, Geistesschwache, Epileptiker, Sprachgebrechliche, Schwererziehbare, seelisch Gehemmte usw. bei uns Rat und Hilfe gesucht. Ergriffen stand ich oft vor stiller, tapferer Überwindung eines Gebrechens, aber auch vor bitterer Auflehnung oder Resignation. Durch die Erfahrung, das Wissen um ihr Leben, ihre Not, die Schuld und die Gnade, lernte ich die Gebrechlichen kennen und lieben.
Neben Geduld wird von der Pro-Infirmis-Fürsorgerin reiches Wissen über die verschiedenen Fachgebiete verlangt. Es ist auch notwendig, dass sie es durch fortwährende Weiterbildung vertieft, um mit den vielen Fragen vertraut zu sein.
Stolpert man nicht an Gewissenskonflikten im Dienste einer ‹interkonfessionellen› Institution? Pro Infirmis hat für alle Fürsorgerinnen Richtlinien herausgegeben, wonach sie dem religiösen Bekenntnis des Gebrechlichen Beachtung zu schenken haben. Z. B. die Verpflichtung, dass bei Erbkranken Massnahmen, die mit der katholischen Moral nicht übereinstimmen, abzulehnen sind. Wenn unsere Vereinigung, in ihrer schweren Aufgabe, den Mut besitzt, die moralischen Belange über die materiellen zu stellen, so ist es nur Ausdruck ihrer Kraft, die ihr durch die Erkenntnis des Sinnes vom Leiden zu eigen wurde.»
Marie Rüttimann
Absolventin der Sozial-caritativen Frauenschule Luzern anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Schule
Quelle
Rüttimann, Marie (1943). In der Gebrechlichenfürsorge, in: Die katholische Schweizerin. Zeitschrift für Frauenart und Frauenwirken,
30. Jg., Nr. 6, 20. März 1943, S. 163 – 164.
* Rüttimann, 1943, S. 16
1946
In der Nachkriegszeit wächst die Zahl der Studierenden an der Schweizerischen Sozial-caritativen Frauenschule Luzern. 1946 müssen Bewerberinnen abgewiesen werden. Nach den Krisenjahren beginnt sich zaghaft eine «Zeit des neuen Aufbruchs» abzuzeichnen.
1948
Die Schulen Luzern, Genf und Zürich gründen die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Schulen für Soziale Arbeit SASSA. Sie legt die Standards für die Ausbildung fest und wirkt koordinierend.