Die klingende Forschungsveranstaltung Re-Search des diesjährigen Szenenwechsels beschäftigt sich mit einer zentralen Komposition des klassischen Instrumentalmusik-Kanons, mit Johann Sebastian Bachs Chaconne in d-Moll. Ein ganzer Kosmos an musikalischen und aussermusikalischen Bezügen eröffnet sich mit und in diesem Stück:
Basierend auf einem Bass-Variationen-Modell überführt Bach improvisatorische Musikpraktiken in die Schriftlichkeit sowie Tanzmusik ins Körperlose. Er bezieht sich auf berühmte Vorgänger-Kompositionen dieser basses danses, die in ganz unterschiedlichen Genres erklungen sind; und verarbeitet möglicherweise, tief eingewoben und nahezu versteckt, Choralzitate. Das aussergewöhnlich sorgsam niedergeschriebene Manuskript der Partiten deutet zudem auf einen besonderen Status der Kompositionen für Bach hin.
Da die biographischen Umstände und das genaue Datum der Entstehung (zwischen 1704 und 1720) letztlich ungeklärt bleiben, sind aussermusikalische Bezüge Konstrukte – so auch die Verbindung zum Tod von Bachs erster Frau Maria Barbara. Sicher bleibt jedoch, dass die Bach’sche Chaconne Violinist*innen fordernd auf die Probe stellt und mit dem Ausloten der klanglichen und technischen Grenzen des Instruments sowie ihrer Reichhaltigkeit und emotionalen Kraft eine starke Auswirkung auf Generationen von Geiger*innen und Komponist*innen zeitigte und immer noch zeitigt: Johannes Brahms konnte sich der Chaconne am besten über eine hinzugefügte Klavierstimme nähern, Felix Mendelssohn Bartholdy und Ferruccio Busoni widmeten sich Neubearbeitungen bzw. Transkriptionen, ebenso wie sich in neuerer Zeit beispielsweise die Schweizer Komponistinnen Iris Szeghy und Helena Winkelmann zu eigenen Werken inspirieren liessen. Die Re-Search des Szenenwechsels spürt diesen vielfältigen Facetten der Bach’schen Chaconne im Austausch zwischen Praktiker*innen und Theoretiker*innen nach.
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
- Chaconne in d-Moll aus der Partita No 2 BWV 1004
Renato Wiedemann, Solovioline
- Arrangement der Chaconne für 8 Saxofone von Beat Hofstetter (2020/2021)
Eliska Holeckova, Robin Bartholini, Nadine Speziga, Rafael Frei, Sofia Perolo, Juan Contreras
Beat Hofstetter und Sascha Armbruster, Einstudierung
- Transformation I für 4 Violen (2000), Arrangement der Chaconne von Ichiro Nodaira
Isabel Charisius, Fabian Aschwanden, Gregor Bugar, Katrin Burger
Isabel Charisius, Einstudierung
Es forschen und spielen zudem mit:
Alexandra Blaettler, Kunstmuseum Luzern
Paula Harper, Columbia University, New York
Charlotte Hug, Dozentin
Beat Hofstetter, Musik Akademie Basel und Hochschule Luzern
Johannes Kreidler, Musik Akademie Basel, FHNW
Susan McClary, Case Western Reserve University
Leila Schayegh, Schola Cantorum Basiliensis, FHNW
Matthias Tischer, Hochschule Neubrandenburg
Hanna Walsdorf, Universität Leipzig
Peter Wollny, Bach-Archiv Leipzig
Moderation: Dr. Christine Fischer, Senior wiss. Mitarbeiterin Hochschule Luzern – Musik
Anmeldung
Die musikalischen Beiträge und Statements werden gestreamt, gleichzeitig wird ein digitaler Raum (über Zoom, Teilnahme nur mit Anmeldung) zur Diskussion der Beiträge zur Verfügung stehen. Interessierte können sich ab sofort und auch noch während der Veranstaltung per Mail unter musikforschung@hslu.ch anmelden. Der Link wird per Mail zugestellt.